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Kultur: Wandern beim Diner

Das Palais Lichtenau wird zur Villa der Familie Treibel / Acht HOT-Aufführungen

Das Palais Lichtenau wird zur Villa der Familie Treibel / Acht HOT-Aufführungen Von Klaus Büstrin Nun, das Diner bei Herrn und Frau Kommerzienrat Treibel ist für sechs Uhr angesagt. Frau Kommerzienrätin Jenny Treibel moniert wieder einmal, als sie die Ankunft der Gäste beobachtet, dass das Haus keinen Nebeneingang habe. Es könnte sein, dass einige der eingeladenen Damen und Herren denken, dass jeder hergelaufene Küchenjunge zu den Gästen gehöre. Außerdem sei es unklug, dem Neid der Menschen und dem sozialdemokratischen Gefühl so ganz nutzlos neue Nahrung zu geben, so die Überlegung der Frau Jenny Treibel, die zur oberen Gesellschaft gehört und noch immer höher hinaus möchte Wer in diesem Monat eine Eintrittskarte zu einer Abendunterhaltung bei den Treibels an der Kasse des Hans Otto Theaters erwischt hat, der darf vom Hof des Palais Lichtenau in der Potsdamer Behlertstraße aus, die Freitreppe, die in den Gartensalon führt, benutzen. Der Seiteneingang der Westfassade ist dagegen für das „Dienstpersonal“ vorgesehen. Dies besteht aus Schauspielern, Technikern, Maskenbildnern und sonstigen Mitarbeitern des Theaters. „Dem Vergnügen der Einwohner“, so wie König Friedrich Wilhelm II. die Potsdamer ins Stadttheater am Kanal einlud, – es wurde 1945 zerstört – sind die Vorstellungen des Hans Otto Theaters auch für rund 650 Zuschauer gedacht. Denn in jede der acht vorgesehenen Vorstellun- gen im Palais der Gräfin Lichtenau – Freitag ist Premiere – können nicht mehr als 81 Gäste teilnehmen. Im Haus, das der Mätresse Friedrich Wilhelms II. gehörte, haben sich nunmehr die Theaterleute „eingenistet“, um Theodor Fontanes Roman „Frau Jenny Treibel oder Wo sich Herz zum Herzen findt“ in der Dramatisierung von Anne-Sylvie König zu spielen. Katharina Thalbach ist in der Titelrolle zu erleben. Intendant Uwe Eric Laufenberg, der für die Treibel-Inszenierung verantwortlich zeichnet, ist während seiner intensiven Suche nach verschiedenen Spielorten in Potsdam auf die Villa Lichtenau gestoßen. Das in Privathand befindliche frühklassizistische Gebäude aus dem Jahre 1790 hat zwar nicht den Gründerzeitcharakter wie es die Stückvorlage vorsieht, aber es ist für den Regisseur und für die Ausstatter durchaus reizvoll, beide Epochen zu verbinden, wobei ja die Gründerzeit mehrere Stile in sich aufnimmt und vermischt. Im Übrigen waren in Fontanes Roman die Treibels Besitzer eines Hauses, das die Architekten Gontard und auch Knobelsdorff bauten. Da es aber nicht mehr zeit- und standesgemäß war, baute sich der Kommerzienrat auf seinem Fabrikgrundstück eine „modische Villa“. Die Innenräume des Palais Lichtenau durfte die Bühnenbildnerin Regine Freise natürlich nicht veränderen. Das wollte sie auch nicht. Sie hat sie in ihrer Ausstattung so belassen. Nur in einzelnen Details wird die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zitiert. Kein Bühnenbild war also zu konzipieren, sondern die Räume mussten spielbar gemacht werden, spielbar für das Diner bei den Treibel, zu dem elf Gäste geladen sind. Der erste Akt spielt im Festsaal, dessen Wandgestaltung mit mehreren Architektur- und Landschaftsmotiven der Pfaueninsel sowie der Gotischen Bibliothek von besonderer Kostbarkeit ist. Drei große Kronleuchter, die von einem anderen Theater geliehen wurden, geben dem Raum einen glanzvollen Charakter. Nicht minder festlich soll der gedeckte Tisch sein, an dem das Diner stattfindet. Im zweiten Akt müssen die Zuschauer wandern, sich von einem Zimmer ins andere begeben, vom Festsaal ins Rosenholzzimmer, von dort ins Gartenzimmer und umgekehrt. Im dritten Akt trifft man sich dann wieder im Festsaal – ein ziemlich heikles logistisches „Problem“. Regine Freise ist mit derartiger Szenenbildgestaltung, in der sie reale Räume vorfindet, und die sie nur noch für das jeweilieg Geschehen herrichten muss, vertraut. Für diverse Film- und Fernsehproduktionen hat die bei Rolf Glittenberg in Köln studierte Künstlerin gearbeitet, auch für eine ganze Reihe von Theateraufführungen in Köln, Hamburg, Düsseldorf, Zürich, Heidelberg oder Stockholm hat sie Bühnenbilder geschaffen. Ende des Monats wird „Frau Jenny Treibel“ das Palais Lichtenau verlassen. Dann läuft der Vertrag aus. Doch dem „Vergnügen der Einwohner“ wird dies sicherlich keinen Abbruch tun, denn man kann das Stück anschließend in der Reithalle A besichtigen. Regine Freise muss nun ihre Kreativität für den richtigen Theaterraum spielen lassen.

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