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Kultur: Still, galant und liebenswert

Karl Gassauers Zweipersonen-Stück „Casanova auf Schloss Dux“ im Theater Comédie Soleil

Karl Gassauers Zweipersonen-Stück „Casanova auf Schloss Dux“ im Theater Comédie Soleil Von Gerold paul Keiner kennt ihn, keiner liebt ihn, nicht einmal seine welterfahrenen Geschichten glaubt man ihm, hier auf Schloss Dux, in Böhmen. Schlimmer noch, die Domestiken des Grafen Waldstein geben diesem ausländischen Bibliothekar Giovanni Jacopo de Seingalt gar Abführmittel in den Tee, und wenn er grimmig zürnt, dann lachen sie von Herzen. Wie kann ein Chevalier von Stand nur so tief sinken, in die letzte Nichtigkeit! Casanova konnte, oder besser musste es, denn außer Waldstein wollte keiner ihn mehr haben, als es ans Altern ging. Seine Zeit vorbei, seine Welten versunken. Karl Gassauer schildert mit dem bekannten Zweipersonen-Stück „Casanova auf Schloss Dux“ des Hasardeurs und Herzensbrechers letzte Abenteuer bis zum Exitus. Dankenswerterweise hat die Comédie Soleil es nun ins Programm genommen – bis Ende Februar in der Feuerbachstraße en suite zu sehen. Es lohnt sich wohl, denn was Regisseur Michael Klemm mit Christian Hiemer und der charmanten Irmi Gillitzer als Wäscheschließerin Sophie Krumbeigl auf die Bühne zauberte, lässt sich in vier treffliche Worte fassen: Still, galant, unspektakulär und liebenswert. Auch kamen diesmal deutlich mehr Zuschauer. Zwischen tuchenen Kulissen, zugleich die Gassen, stehen ein Schreibtisch und jener Sessel, dessen Original man heute noch auf Dux bewundern kann: Wer sich auf ihn setzt, so geht die Mär, wird steinalt. Andererseits ein Sofa, wo Sophie dem Memoiren-Leser Casanova (1725-1798) schläfrig lauscht. Von der Decke hängen Bücher, wie man Apfelscheiben trocknet. So hat Astrid Weiss das Kabinett des auf dem ganzen Kontinent bekannten Schwerenöters ausgestattet. Ihn bedrückt die Melancholie eines ruhmlosen Alters: „Meine Welt, die gibt es nicht mehr!“ Alle halten ihn für einen grilligen Spinner, sogar Sophie, die sich mit mütterlicher Sorge ein wenig um ihn kümmert. Auch diese herzenskluge Plebejerin hat schon bessere Zeiten gesehen, obwohl sie aus Österreichisch Schlesien nie herauskam. Während Casanova die Damen Europas reihenweise vernaschte, ist bei ihr nicht mal jener einzige hängen geblieben, der sie im Heu erkannte, Wilhelm Haberland aus dem Dorfe Lichtenberg bei Berlin. Sehr früh gibt der alte Venezianer bei Klemm die Grillen auf, er wird gesprächig, liest der tags schwer schaffenden Matrone abends seine Liebesabenteuer vor, auch die Begegnung mit Friedrich II. in Potsdam. Man kommt bei Vivaldischer Off-Musik allmählich ins Vertrauen, zarten Triebe einer letzten Liebe grünen. Nähe statt Abstand, eine flüchtige Berührung ihrerseits, er küsst den reifen Busen, als sie jenen Taler zeigt, den Wilhelm ihr einst geschenkt. Sie wehrt nicht ab, hübsch. Das Stück häuft Widersprüche en masse: Die Rubenssche Madam katholisch, er ein Freigeist, sie bedienstet, er hohen Standes, er weltgereist, sie lebtags standorttreu. Doch nicht dies ist im Privattheater vorderhand zu sehen, sondern ein kribbelndes Locken längst entschlummerten Begehrens, Altersliebe, beiderseits. Irmi Gillitzer gibt sich schamrot-schüchtern, hört aber mit Neugier und blassen Protest die unzüchtigen Amouren des hohen Herrn, eine schöne, sehr lebensnahe Partie. Auch Christian Hiemer zeigte sich, wie nie gesehen. Mit dieser spröd-galanten Art könnte er den Alten Fritzen, und Kant, den Philosophen, geben. Spielerisch tut er gar nicht so viel, dafür ist sein Casanova ganz von innen her empfunden und nicht ohne Altersweisheit dargestellt. Vor allem hörte man seine Rhetorik mit größtem Wohlgefallen. Beider Begehren ist da, doch fehlt die Vollendung: Der Venezianer hat den 12. Band seiner „Memoires“ gerade abgeschlossen, Sophie bekommt darin ihren Platz. Auch der letzte Liebesabend ist bereits vorab geschildert. Casanova liest und stirbt. Sophie ist ein zweites Mal um die Liebe betrogen. Sie wird nicht einmal erfahren, was ihr Galan über diesen Abend schrieb, denn des Französischen ist sie nicht mächtig. Eine schöne, warme und sensible Inszenierung, vom Premierenpublikum rechtens mit sechs Vorhängen bedacht. Nächste Vorstellungen: 3. bis 6. Februar, jeweils 20 Uhr.

Gerold paul

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