zum Hauptinhalt

Kultur: „So was Vitales, souverän Freches“

Witzige und sarkastische Bilder von Carl Marx in einer Ausstellung des Potsdamer Kunstvereins

Witzige und sarkastische Bilder von Carl Marx in einer Ausstellung des Potsdamer Kunstvereins Von Klaus Büstrin Carl Marx. Carl Marx? Sie haben richtig gelesen. Es ist der Carl mit dem C. Also nicht jener, der im 19. Jahrhundert „Das Kapital“ schrieb. Hier ist jener Marx gemeint, der von 1911 bis 1991 in Dessau lebte, in einer Kulturlandschaft, die vom Bauhaus und dem Wörlitzer Erbe geprägt ist. Carl Marx war Sozialist, Mitglied der SPD, wurde 1946 in die SED übernommen. 1947 schrieb er bereits: „Mir schwant nichts Erfreuliches im Bezug auf die SED. Vor allem das Mittelmäßige ...“ Er verließ die Partei. Carl Marx war Zeit seines Lebens ein kritischer Geist, ein eigenwilliger Künstler. Der Kunstverein Potsdam zeigt seit gestern in Kooperation mit dem Kunstverein „Talstrasse“ e.V. in Halle einen Ausschnitt aus dem künstlerischen Schaffen der letzten zehn bis zwölf Jahre des Lebens von Marx im Alten Rathaus. Der Potsdamer Kunsthistoriker Andreas Hüneke, der Carl Marx gut kannte, wurde überraschenderweise sein Nachlassverwalter. Nur selten waren die Arbeiten des Dessauers bisher zu sehen. Die Funktionäre im Osten Deutschlands hatten eine Abneigung gegen seine Kunst, besonders in den frühen Jahren der DDR. Man warf ihn, der am Bauhaus in Dessau und Berlin studierte, vor, er würde sich in seiner Kunst von der Realität entfernen. Wolfgang Hütt, ein Vertrauter von Marx, schreibt: „Die gemalten Bilder ... sind ein sehr persönliches Zeugnis seiner Übereinstimmung mit dem Leben, sind ein ,Dennoch“ zu allem Widersprüchlichen, das der Ausgewogenheit menschlichen Daseins entgegensteht.“ 1997 gab es in Dessau eine Ausstellung des dort ansässigen Anhaltischen Kunstvereins. In dieser Schau wurden auch vier Bilder von Carl Marx präsentiert. Diese kleine Auswahl gab dem Betrachter kund, der bisher kaum etwas von Marx wusste: in der Bauhausstadt wohnte ein überaus fantasievoller Maler. Die Exposition im Alten Rathaus lehrt uns: Unabhängig von Ruhm scheint immer noch unentdeckte Qualität möglich, deren Aufrichtigkeit das Allbekannte oftmals in den Schatten stellt. Carl Marx hat gearbeitet, wohl unablässig, nicht achtend des ausbleibenden Verstehens von offizieller Seite, darin vergleichbar nur den ganz Großen und den ganz Kleinen, die sehend ihren Weg gehen – unbeirrt. Carl Marx beobachtest das Leben um ihn herum ganz genau – das graue und das bunte. Und alles ging in seine Kunst ein: der Musicalbesuch von „Cats“, das Lesen des Romans „Der Meister und Margarita“ von Michail Bulgakow, das Besichtigen einer Expressionisten-Ausstellung in Berlin, das Lesen von aktuellen Zeitungsartikeln. Gehörtes und Gesehenes, Diskutiertes über Gott und die Welt, Heiteres und Trauriges, Abstoßendes und Anziehendes erzählt der Künstler mit Witz, Sarkasmus und oftmals auch mit Mummenschanz. Und Erotisches schwingt in seinen Bildern fast immer mit. Marx war ein fabulier- und farbenfreudiger Maler. „Ich sehe gerade mit Vergnügen einer Elster zu ... Hin im Garten ist eine Riesenbirke. Und auf dem höchsten Ausläufer wiegt sie sich, und wippt mit dem Schwanz, und wenn sie krächzt, verbeugt sie sich ... so was Vitales, souverän Freches ... So muss man auch sein“, schrieb Carl Marx. Er gab diesen Worten drei Ausrufezeichen. Carl Marx, Malerei, bis 13. 3., Altes Rathaus, 10 bis 18 Uhr.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false