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Kultur: Slums und Bankenviertel

Globalisierungskritisches Filmfestival startete mit IWF-Doku

Globalisierungskritisches Filmfestival startete mit IWF-Doku Eine spannungsreiche Gleichzeitigkeit. Im verschneiten Davos in der Schweiz sitzen Politiker und Vertreter der Wirtschaft zusammen und konferieren über die festgefahrenen Welthandelsgespräche, den Kampf gegen den Hunger und den Wiederaufbau des Irak. Ganz ungestört zwischen den schweizerischen Bergen, geschützt von hunderten Polizisten und fast 2000 Soldaten. Tausende von Kilometern entfernt sieht die Welt ganz anders aus. In Bombay, der Stadt, in der die Slums nicht weit vom Bankenviertel entfernt sind, steht eine Gegenveranstaltung auf dem Programm, das vierte Weltsozialforum. 100 000 Teilnehmer sind dabei, südkoreanische Gewerkschafter, indische Bauern und afghanische Bauern. Sie diskutieren auf dem sechstägigen Forum gegen die Politik multinationaler Großunternehmen. Vor diesem Hintergrund hat das Potsdamer Filmmuseum in Zusammenarbeit mit Attac Potsdam „global 04“, das 1. Globalisierungskritische Festival Potsdam, organisiert. Bis zum 25. Januar stehen zehn informative wie spannende Spiel- und Dokumentarfilme auf dem Programm, als Nahaufnahme einer Welt zwischen Armut und Reichtum, die nach neuen Wegen suchen muss, um zu überleben. „Kino ist ein politischer Ort“, sagt Filmmuseumschefin Bärbel Dalichow zur Eröffnung des Abends und freut sich über das junge Publikum im Kinosaal, das offensichtlich über die Welt nachdenke. Hätte Maya die Wahl gehabt, sie hätte sich ein Ticket nach Indien geholt, um bei den Globalisierungsgegnern in Bombay dabei zu sein. Sie ist die sympathische Hauptfigur in „Bread and Roses“, einem Film über den Arbeitskampf mexikanischer Einwanderer in Los Angeles, der am Eröffnungsabend gezeigt wurde. Maya kämpft für ein besseres Leben und landet dann doch wieder dort, wo sie hergekommen ist – dennoch: Sie hat viel gewonnen. Der einfühlsame Film von Ken Loach geht unter die Haut ohne dabei kitschig zu sein. (Wiederholung morgen 18 Uhr) Ganz anders wirkt der ebenfalls gezeigte Dokumentarfilm „IWF – Die Macht der Kredite“ von Pascal Vasselin. Der französische Regisseur begleitete 1999 den damaligen IWF-Chef Michel Camdessus bei seien Verhandlungsreisen durch die Welt. Er hält, soweit es ihm erlaubt wird, die Kamera in Konferenzräume, ist bei offiziellen Galas und im Flugzeug dabei. Camdessus erklärt den Frauenvertreterinnen Nigerias, dass nicht der IWF dafür sorgen muss, die sozialen Leistungen im Land mit den notwendigen Sparmaßnahmen in Waage zu halten, sondern die Nigerianer selbst. Die neue Hauptstadt Abuja sei für 300 000 Menschen geplant worden, heute würden dort eine Millionen Menschen leben, entschuldigt der Finanzminister die Misere des Landes. Camdessus kritisiert, verhandelt, korrigiert, stellt klar – und lächelt. So dass es einem kalt über den Rücken läuft. Der Kommentator erklärt Hintergründe: 200 Milliarden Dollar hat der IWF-Chef in seiner Kasse. Erfüllen die Kreditsteller die IWF-Auflage, ein Wirtschaftsprogramm umzusetzen, das konjunkturellen Aufschwung verspricht – ganz im Sinne westlicher Vorstellungen – unterschreibt er den Scheck. Und liefert mit dem Geld eine vollkommene Wirtschaftskontrolle des Landes durch den IWF gleich mit. 155 Länder standen 1999 in der Schuld des Fonds. „Wiedergeburt des Liberalismus“ ist der Titel eines Films von Jean Drucon (1999). Der Regisseur zeigt am Beispiel der Privatisierung der einst öffentlichen Telekommunikation den rasanten Siegeszug des Neoliberalismus, der nach seinem Verschwinden in den 30er Jahren mit den „Chicago Boys“ um Milton Friedmann wiedergeboren wurde. (Heute 18.30 Uhr). Um alternative Wege zum neoliberalen System geht es in „Eine Welt zu erfinden“. Regisseur Florian Schneider befragt bekannte Globalisierungskritiker. (Heute 20 Uhr). Die Geschichte des Italieners Carlo Giuliani, der am 20. Juli 2001 bei Ausschreitungen während des G8-Gipfeltreffens in Genua von italienischen Polizisten erschossen wurde, zeichnet der Film „Ragazzo“ nach. (Freitag, 20 Uhr) . M. Hartig Das vollständige Programm finden Sie unter www. filmmuseum-potsdam. de

M. Hartig

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