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Kultur: Objektives wärmt ja nicht

Die Macher und ihre Kritikusse

Die Macher und ihre Kritikusse Gleiches korrespondiert stets mit Gleichem, man antwortet so, wie man etwas empfängt. Kommt eines schön oder herzwarm daher, reagiert der Reporter dito, wenn nicht, dann spricht die Kritik. Ein Benefizkonzert etwa ist nicht immer Hochkultur, doch wer wollte den guten Zweck durch unlautere Mittel betrüben, selbst als Jürgen Fliege S. Nikolai seine esoterischen Dienste erwies? Dergestalt wie ein lebender Spiegel zu sein, braucht den Mut zur Subjektivität, andere ventilieren eine Offerte ja auch. Als Gleiches gab man manche Lesung im (Rosen)Garten zurück, das „Stabat Mater“ zu Marquardt, weihnachtliche Vesper, zumal sich solche Texte wie von selber schaffen. Wenn es aber da vorne nur hapert und holpert, traut sich der Geist des Schönen erst gar nicht heraus. Das liest sich dann ganz anders. Was sollte man mit einem extra-roten Luxemburg-Programm im Alten Rathaus und murmelndem Revoluzzer-Deutsch in der Villa von Arnim? Glaubhafter stand Borchert auf dem Theaterschiff vor der Tür, in Petzow zeigte einer axial-europäische Dimensionen, die offenbar niemanden sonst beeindruckten und also folgenlos bleiben. „Gutgemeint“ war alles, was 2004 an die Öffentlichkeit quoll, auch mit Sonne im Namen, aber just nicht immer gut. Briefe des Dankes gab es wie bitterböse, weil der unbedarfte Kritikus einen Denker gar „Gigant“ genannt. Armer Hund. Es holperte auch in der Kabarett-Szene, wo man vor lauterer Größe das kleine Potsdam nicht sieht, schiffseits indes nahm man ein solch blasses Programm ob schlechter Kritik aus dem Plan. Oder waren es zwei? Da muss man halt durch. Also wurde dieses Kulturjahr mit Umsicht und Vorsicht, oft mit Rücksicht und Nachsicht begleitet, manchmal sogar mit Durchsicht: Wenn man allerorts „nur mit Wasser kocht“, dann darf das fürs launisch-luftige Feuilleton genauso gelten. Ein jeder irrt, solange er strebt, der subjektiv bekennende Kritiker (Objektives wärmt ja nicht) ist auch nur Mensch. Einmal im Jahr widerfährt ihm der ultimative „Befreiungsschlag“, den lesen alle gern, nur eben die Macher nicht, besonders die Eitlen und die Unerfahrenen. War auch nur „gutgemeint“, nie böse! Dort aber, wo man mal grundsätzlich zu werden gedachte, schlichen sich, bon dieu! grundsätzlich die peinlichsten Fehler ein. Asche aufs Haupt ... Wenn im Kulturjahr „viel los“ war, heißt das zuerst, es war viel Geist unterwegs. Man hörte die dollsten Sachen: Wie die Bundesregierung dem US-Präsidenten Hundefutter vorsetzte, dass die „Gloriette“ zurück soll, von Dänikens alte Kamellen im Nikolaisaal, über „neue Seelenkrankheiten“ in der zeitkritisch bleibenden „arche“, oder wie junge Autoren „jwd“ in Beelitz-Heilstätten Wirklichkeit reflektierten. Dort war auch ein internationales Groß-Projekt moderner Kunst, welchem man genauso Zukunft wünscht wie den Kulturbeflissenen in der Spargelstadt selbst. Im Juni zeigte sich die Freundschaftsinsel mit erlesenen Ideen von ihrer stadtzentralen Seite, nicht zu vergessen die hübschen Ausstellungen in Güterfelde und Nudow, viele gute Konzerte stadtein, landaus, z.B. in Caputh: die Umlandsspalte „KulTour“ war eine gute Idee. Ohne Subjektivität geht da gar nichts, sonst friert“s. So bleibt das reflektorische Spiel zwischen den Machern und ihren Kritikussen – den himmlischen Schlangenträger als Gleichnis – nach wie vor unentschieden. Gerold Paul

Gerold Paul

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