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Kultur: Nachsaison am Meer

Michael Hegewald in der Galerie Samtleben

Michael Hegewald in der Galerie Samtleben Schwarz ist das Meer und die Linie des Horizonts sitzt am oberen Bildrand ein bisschen wie eine zu hoch gezogene Unterhose. Die Sonne scheint nicht auf den Bildern von Michael Hegewald, die bis zum 25. Juni in der Galerie Samtleben in der Brandenburger Straße zu sehen sind. Vielmehr durchdringt sie trübe die Leinwände. Häuser, mit wenigen dunklen Fensteröffnungen, sind Bauklötzen auf einer Tischplatte gleich arrangiert. Hegewald zeigt in dieser Durchsicht aus zehn Jahren seines Schaffens Ansichten aus Italien und Frankreich, den Zielen unserer Träume, wenn wir sie nach einem heißen Sommer wieder verlassen haben. Die Plätze, menschenleer. Nur Wimpel flattern im Wind, Eisbecher und andere Gefäße scheinen wie zurückgelassen. Pflanzen, wenn, dann als olivfarbene Stengel. Ruhe kehrt ein, eine stumpfe Melancholie liegt zwischen den Mauern. Die Ölfarbe leuchtet nicht glänzend, sie scheint matt und abgenutzt durch die mediterrane Fröhlichkeit, zu der sich Urlauber anstecken. In den spröden Oberflächen von Hegewalds Farbaufträgen verbirgt sich etwas. Die Hauswände wollen ihre Form und Funktion verlassen, unter ihnen beginnt die Farbe ein abstraktes Leben, fernab vom Strandlachen und Meeresplantschen. Der Betrachter spürt: Hier beginnt die Substanz. Die trägen Baukörper, mal eine Strandbar, mal ein Hotel, mal ein Leuchtturm, sind auf den Bildflächen für die Ewigkeit komponiert. Sie stehen da in nahezu perfekter Anordnung, für immer. „Marina del silenzio“ – Küste der Stille – ist diese Schau betitelt. Es ist still bei Hegewald, aber nicht todernst. Der 1955 geborene Berliner Designlehrer erlaubt den kalten Farben Blau, Grau und Braun sich auszubreiten. Aber dem Trüben stellt sich ein wie beigemischt wirkender Rotschleier entgegen, ein Rosa vielleicht, wie das von einem Sonnenuntergang. Ein heiteres Versprechen, keine böse Vorahnung. Grau wird so zu einem beinahe schon fröhlichen Farbton. Der warme Sommer liegt unter den Runzeln und Kratzern wie eine Verheißung. Ein schöner Anlass, die Arbeiten von Hegewald auf sich wirken zu lassen, bietet sich heute. Denn um 20 Uhr liest in der Galerie Hans-Jochen Röhrig „Kurze Lebensläufe der Idioten“ von Ermanno Cavazzoni.Matthias Hassenflug

Matthias Hassenflug

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