zum Hauptinhalt

Kultur: Letzte Klappe für ein Universal-Genie

Chaplinade-Finale mit dem Filmorchester Babelsberg

Charlie Chaplin gilt vielen als größter Universalkünstler des 20. Jahrhunderts. Er schrieb die Drehbücher, war sein eigener Hauptdarsteller und Regisseur, komponierte die Musik und investierte sein eigenes Geld in seine Filmproduktionen. Fast von Anfang an hatte Chaplin riesigen Erfolg; er machte, wie es heute heißt, „Quote“. Bemerkenswert ist dabei, dass seine Filme nicht nur von den sogenannten einfachen Menschen, die sonntags einen Nickel oder drei Groschen bezahlten, um einen Stummfilm in einer Kintopp-Höhle zu sehen, geschätzt wurden, sondern auch von Intellektuellen und Künstlern.

Wohl kein anderes Stummfilmwerk lieferte soviel Anlass zu begeisterten Elogen und tiefsinnigen Reflektionen. Zu den größten Fans zählten Kurt Tucholsky, Alfred Polgar, Bertolt Brecht, Walter Benjamin, Theodor W. Adorno, Philippe Soupault, Sergej Eisenstein, Henry Lefèbvre, Béla Balázs, Siegfried Kracauer. Sie sahen in Chaplins Filmen nicht bloß heitere Komödien, sondern auch die gesellschaftlichen Bewegungen, politischen Bedrohungen und geistigen Strömungen der Zeit repräsentiert. Chaplin gelang es, auch den einfachsten Bildern, Situationen und Szenen noch so viel Tiefenwirksamkeit zu verleihen, dass sie nicht nur oberflächlich unterhalten, sondern auch den Verstand anregen können. So trefflich und anrührend wie Chaplin realisierte kein anderer Filmemacher den einst von der Aufklärung formulierten Anspruch einer alles verbindenden Menschlichkeit.

Auch darin war Chaplin universell. Sein kleiner Tramp ist eine moderne Märchengestalt. Ihrer kindlichen Naivität können alle Unbilden dieser Welt nichts anhaben. Selbst in der Niederlage bleibt er noch Sieger. Chaplins chemisches Rezept basiert auf dem Gelächter. „Allerdings“, sagt Philippe Soupault, „Chaplin bringt nur zum Lachen. Aber abgesehen davon, dass das das Schwerste ist, was es gibt, ist es auch im sozialen Sinne das Wichtigste“.

Zum Abschluss der langjährigen Chaplin-Serie mit Live-Musik vom Deutschen Filmorchester Babelsberg präsentiert der Nikolaisaal Potsdam die vierte Chaplinade mit zwei Kurzfilmen, Höhepunkten aus Chaplins Filmkompositionen sowie Ausschnitten aus seiner Autobiografie.

Der klassische Stummfilm „Police“, das letzte Werk aus der mittleren Periode der Kurzfilme, entstand 1916. Charlie spielt einen Ex-Sträfling, der bei seinen Bemühungen, wieder Fuß zu fassen, alles falsch macht.

Etwas ganz besonderes ist der Film „Ein Uhr nachts“ (1916), der als anspruchsvollste Chaplinsche Komödie gilt, ein Solo von Charles Chaplin. Er spielt einen Gentleman, der von einer Sauftour zurückgekehrt in seinem Haus mit allen Gegenständen in Konflikt gerät. Neben ausgestopften Löwen und Bären spielt auch ein Klappbett eine nicht geringe Rolle. „Ein Uhr nachts“ hat viele Ebenen, es enthält reine Clownerie, großartige Akrobatik, verrückten Dauertanz; man kann es als Studie eines Betrunkenen auffassen oder als gefährliches Abenteuer in der Welt der Dinge. Der Film ist eine aberwitzige Komposition absurdester Situationen und zeigt Chaplin in Essenz, als reinen Clown.

Sein entfesseltes Spiel jenseits der Regeln von Schwerkraft und Kausalität in einer „tanzenden Welt der Narrheit“ (R. Payne) belegt eindrucksvoll die universelle Zeitlosigkeit von Charlie Chaplins Filmen. Babette Kaiserkern

24. Januar, Großer Saal, 20 Uhr: Chaplinade

Babette KaiserkernD

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false