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Kultur: Landpartie nach Nudow

„Künstler im Havelland“, darunter die Berliner Sezessionisten, zeigen „Heimatkunst“ im besten Sinne

„Künstler im Havelland“, darunter die Berliner Sezessionisten, zeigen „Heimatkunst“ im besten Sinne Der fast 650 Jahre alte Flecken Nudow im neugeordneten „Nuthetal“ ist für eine Überraschung immer gut. Um nach dem Westturm nun auch das marode Schiff zum 275. Kirchengeburtstag im Jahr 2009 zu renovieren, organisiert der Gemeinde-Kirchenrat kulturelle Veranstaltungen, die sich auch über neue Ortsgrenzen hinaus sehen lassen können. Im vergangenen Jahr gelang es, den persischen Maler Jamschid Ghandtschi ins Örtchen zu verpflichten. Diesmal präsentieren die Organisatoren Ursula Hollup und Thomas Engelhardt zugunsten des Friederizianischen Kronkirchleins mehr oder weniger bekannte „Künstler im Havelland“. Darunter sind etliche Berliner Sezessionisten, eine Malergruppe, die sich, im Kontrast zu ihren „akademischen“ Kollegen, eher der Freilichtmalerei und der „Heimatkunst“ verpflichtet fühlte – damals um 1900, als man ohnehin „impressionistisch“ zu schaffen pflegte. Namen wie Corinth, Glienke, Hagemeister, Klein von Diepold, Vorgang und Liebermann stehen ostentativ für diese um 1898 gegründeten Bund. Nudow präsentiert meist kleinformatige Werke, spinnt aber mit Klaus Fußmann und seinem Meisterschüler Kani Alavi (wieder ein Perser), Edith Borcherts und Milo Zerbst den Faden bewusst bis in die Gegenwart. Fast dreißig Namen, allesamt aus dem Bestand von Ursula Hollup (Berlin), sind in dieser Verkaufsausstellung vertreten, und schaut man die Genrebilder (Öl, Aquarelle, Grafik von Hübner, Leistikow und anderen) in aller Ruhe an, so könnte der eine oder der andere durchaus an das eigene Wohnzimmer denken. Es sind stille Bilder, etwa die drei besegelten Fischerboote unter großem Himmel „An der Havel“ von Milo Zerbst, eine farbsatte „Alte Allee“ (Hans Krüger), wie die Märker das ohnehin lieben, oder Paul Schörnick“s „See im Mondschein“. Ihnen allen gemeinsam ist die Suche nach Schönheit dort, wo man lebt, nicht unter südlicher Sonne. Sanft lässt Hanna von Balg spätherbstliche Nebel über einem See aufsteigen, Egbert Patzig“s „Herbstwald bei Potsdam“ indes strahlt den geballten Farbkontrast derselben Jahreszeit wie höfischen Prunk. Der Bornstedter „Dorf- und Pferdemaler“ Willy Brandes hielt – somit unvergessen – eine „Bäuerin im Dorf“ fest, Bruno Genzmer das katige „Bauernhaus in Caputh“. Wie ein Gruß an die neue Havelländische Malerkolonie wirken ähnliche Sujets: Lotte Otzen“s „Abendstimmung“ oder die Landschafts-Vedute von „Unbekannt“ – eine Ansicht vom sanfthügeligen Fläming. Klein von Diepold hat eine prachtvolle „Waldlichtung“ eingefangen, Erich Braunschweig den Ähren-Rain, beide völlig „gesellschaftsfähig“. Doch immer wieder Fluss und Seen, wie der Seddiner von Günther. Da steht Wilhelm Körber mit dem Stadtbild „Alt-Mariendorf“ ziemlich allein. Angesichts so reich gefundener Schön- heit fragt man sich schon, nach welchen Rastern „die Kunstgeschichte“ Maler in Heroen und Zwerge eingeteilt hat. „Heimatkunst“? Wer da die Nase rümpfte, müsste wohl ein Narr sein, selbst wenn Fußmann“s „Sonnenblumen“ ihm stilistisch entgegenkommen sollten. Eine Landpartie am Wochenende nach Nudow lohnt also in jedem Fall. Wenn man, statt des Eintritts, noch eine Spende gäbe, wären alle zufrieden. Gerold Paul Dorfkirche Nudow, bis zum 2. Oktober jeweils Freitag bis Sonntag von 12 bis 18 Uhr; der reich bebilderte Katalog kostet 8 Euro.

Gerold Paul

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