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Kultur: Keck und klangsinnlich

Staatsorchester Frankfurt betreibt Spurensuche von „Mozart in Prag“ im Nikolaisaal

Staatsorchester Frankfurt betreibt Spurensuche von „Mozart in Prag“ im Nikolaisaal Von Peter Buske „...hier wird von nichts gesprochen als von – Figaro; nichts gespielt, geblasen, gesungen und gepfiffen als – Figaro; keine Oper besucht als – Figaro und ewig Figaro“, schreibt Mozart im Januar 1787 aus Prag. Er weilt auf Einladung des ihm befreundeten Ehepaares Duschek in der Moldaustadt, um sich eine Aufführung seiner „Hochzeit des Figaro“ anzusehen. Er logiert beim Grafen Thun, einem Musikfreund und Mozartverehrer. Zwei Tage nach dem Opernbesuch (am 17. Januar) gibt Mozart ein Konzert, bei dem auch die bereits in Wien komponierte Sinfonie D-Dur KV 504 zum ersten Mal erklingt. Später erhält sie als Nr. 38 den Beinamen „Prager Sinfonie“. Tags darauf dirigiert Mozart den „Figaro“. Anfang Februar kehrt Mozart mit dem Auftrag, eine Oper für Prag zu komponieren („Don Giovanni“), nach Wien zurück. Anfang Oktober ist er erneut in Prag. Die „Figaro“-Begeisterung“ ist ungebrochen. Die Gassen und Gärten widerhallen von seinen Gesängen. Die Premiere des „Don Giovanni“ steht bevor, doch noch ist die Ouvertüre nicht zu Notenpapier gebracht. Die Fama weiß zu berichten, dass Mozart sie in der Nacht vor der Uraufführung endlich verfertigt. Das Dramma giocosa wird ein epochaler Erfolg. Zwei Lieder und eine Konzertarie komponiert der Meister hier noch, dann geht''s Mitte November zurück in die Metropole der k.u.k. Monarchie. Mozart und Prag, das ist – würde man heute sagen – eine Erfolgsstory. Diese sucht ein Konzert innerhalb der „Klassik am Sonntag“-Reihe unter dem Titel „Mozart in Prag“ nachzuvollziehen. Unter Leitung von Heribert Beissel unterzieht sich das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt dieser lobens- und lohnenswerten Aufgabe. Der Nikolaisaal ist ausverkauft, die Erwartungen sind hochgespannt. Die „Giovanni“-Ouvertüre, nach E.T.A. Hoffmann „die Ouvertüre aller Ouvertüren, in der alle Motive der Oper schon so herrlich und lebendig angedeutet sind“, wird von den Musikern mit jener selbstbewussten Haltung des Titelhelden musiziert, die Spannung vom ersten Moment an verspricht. Da braut sich wirklich Unheil zusammen, lässt sich briosteigerndes „Grollen, Stöhnen und Ächzen“ (so der launig plaudernde, von Hintergrundwissen nur so überquellende Moderator Clemens Goldberg) überdeutlich vernehmen. Das kontrastiert mit verführungsreicher Keckheit und überschäumender Lebensfreude. Nicht weniger erfreulich, dass die Frankfurter sich im besten Einvernehmen mit der Saalakustik befinden. Gefällige Klänge verbreitend, schmiegen sie sich auch beim intensiven Musizieren der „Prager Sinfonie“ den Gegebenheiten des Raumes vorzüglich an. Es geht also doch – wenn man will, möchte man die Oderstädter nach ihrer ausgefeilten, stürmisch gefeierten Wiedergabe beglückwünschen. In der Adagio-Einleitung gestalten sie die „Giovanni“-Dramatik sehr prononciert. Energisch und beschwingt breiten sie das herrliche Opus aus, stets aufs Vorführen dynamischer und modulatorischer Feinheiten bedacht. Sie sparen nicht mit spielerischer Leidenschaft im Andante, nehmen sich des flinken Themas im Finalsatz mit huschender Hingabe an. Es basiert auf dem Duettino aus dem „Figaro“ (!) und wird von Klanggesten herrischen Einlassbegehrens des Grafen kontrapunktiert. Was einer Opernszene gleicht, findet sich ähnlich auch im dritten Satz des c-Moll-Kla-vierkonzertes KV 491, das Ende März 1786 in Wien entsteht und von Mozart bei seiner letzten Akademie im Burgtheater erklingt. Mit Prag hat es nichts zu tun. Wie es in die Programmfolge gelangte? „Mozart in Prag“ sei eher ein Verhältnis von Mozart und Moll, meint Goldberg. Und da es in c-Moll steht... Wie vom Moderator vorausgesagt, steigt das Orchester mit heroischer, schicksalsmächtiger Pranke in den Beginn ein. Der ist mit Bläserzutaten reich versehen, was die entsprechenden Pulte (besonders Flöte, Fagott und Oboe) zum Vorführen ihrer Qualitäten ausnutzen. Sanft, fast bittend gerät das Klavierentree durch den Solisten Sebastian Knauer. Ihm ist das Orchester nicht nur Begleiter, sondern mitgestaltender Partner. Den Schicksalsmächten (Orchester) trotzt das Individuum (Klavier), woraus Dynamik und Dramatik erwächst. Mit leichtem, aber nicht verspieltem Anschlag entlockt Sebastian Knauer seinem geschmeidigem Handgelenk sowohl theatralische Aktionen als auch verinnerlichte Betrachtungen. Das Larghetto sieht die Partner in singender, wundervoll atmender Gemeinsamkeit. Der große Apparat des Staatsorchesters ist auf vorzügliche Art und Weise klanglich zu einem Kammerorchester „geschrumpft“, das transparent und schlank die pathetischen Folgen von Variationen (im Allegretto) zu einer überaus spannenden Opernszene fügt, in die sich der Pianist mit gestalterischem Herzblut einbringt. Den anhaltenden Akklamationen dankt er mit Mozarts „Variationen über Ah, vous dirai-je, Maman''“ KV 265.

Peter Buske

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