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Kultur: Im Wohnraum-Ambiente

Die Sprengkraft von Breytenbachs Bildern gehen im Einstein Forum verloren

Die Sprengkraft von Breytenbachs Bildern gehen im Einstein Forum verloren Von Götz J. Pfeiffer „Das ist nicht Breyten Breytenbach!“ Wer hätte das auch gedacht, als der Maler und Autor gleichen Namens aus dem senegalesischen Gorée auf seine Bilder zeigte? Allein, mit dem anverwandelten Zitat aus René Magrittes berühmtem Bild „Ceci n“est pas une pipe“ erklärte der 1939 in Südafrika Geborene mehr als er mit vielen Worten vermocht hätte. Seine aktuell im Einstein Forum zu sehenden Arbeiten sind ebenso wenig der Maler selbst, wie das Bild der Pfeife eine Pfeife ist. Das gilt auch, weil Breytenbachs bildkünstlerische Arbeiten nur ein Teil seines Schaffens sind. Seit den 1960er Jahren malt, zeichnet und schreibt er parallel und sieht die Malerei als „Fortsetzung der Dichtkunst mit anderen Mitteln und umgekehrt.“ Als eine der „seltenen Doppelbegabungen“ lobte ihn dann auch Joachim Sartorius, Intendant der Berliner Festspiele, als Vertreter einer „raren Spezies“, die sich „in der Sprache wie in der Welt der Farben und Formen“ sicher bewegt und zu Hause ist. Sartorius muss es wissen, denn nach Jahrzehnten im diplomatischen Dienst gab der Übersetzer und Publizist selbst mehrere Gedichtbände heraus. Seine Worte zur Vernissage waren auf den freundschaftlichen Ton langer Vertrautheit mit Person und Arbeiten Breytenbachs gestimmt und bahnten überdies einfühlsam und ohne intellektuelle Attitüde einen Weg zu den bildkünstlerischen Arbeiten. Von ihm könnte Susan Neiman, Direktorin des Einstein Forums, einiges lernen, waren ihre Worte in breitestem Amerikanisch doch nur so weit verständlich, dass Breytenbach ein „extremely distinguished artist“ sei, ein „äußerst hervorragender Künstler“. Das machte den bescheidenen Breytenbach zwar sicher nicht verlegen, beschrieb ihn aber keineswegs korrekt. Zu den Bildern und Zeichnungen selbst. Ihre surrealen Quellen liegen ebenso offen, wie der stete Wanderer zwischen Europa und Afrika sie selbst benannte. Der von Sartorius empfohlene assoziative Zugang liegt bei solcherlei Darstellungen auf der Hand. Doch sollte man darüber nicht die Kunstgeschichte vergessen, die der imaginären Ahnengalerie aus Brustbildern innewohnt. Jimi Hendrix, Federico García Lorca, der Großvater Ho Chi Minhs und ein Drogendealer aus New York City – in jedes der großformatigen Bilder malte Breytenbach sich auch selbst hinein, ließ damit seine Biographie in den Leben anderer wurzeln. Zweifellos liegen, wie Sartorius meinte, in diesen Bildern „verschlüsselte Botschaften mit unvertrauten Verbindungen“. Es bleibe ein „rätselhafter Kern“, so Sartorius. Wie gut, wird man zustimmen, sonst lösten sich die Arbeiten wie Zucker in warmem Wasser. Aber zurück bleibt glücklicherweise mehr als nichts. Für seine neuen Arbeiten auf Papier und Leinwand bringt Breytenbach in bester Tradition eines Hieronymus Bosch zusammen, was nicht zusammen gehört. Im gezeichneten „bearded mouth“ klafft als Mund das Foto einer behaarten Vulva, umgeben von aufgeklebten Haaren, letztere von Breytenbach? Gewiss ist auch in diesem Männerporträt des „bärtigen Mundes“ wieder der vollbärtige Maler zu erkennen. Wie er sein dichtendes Sprechen thematisiert, assoziiert man Gustave Courbets Bild „Der Ursprung der Welt“, den Blick in einen Frauenschoß. Wie schade, dass Breytenbach auch für andere Blätter zahlreich Fotos von mal behaarten, mal rasierten Vulven verwendete. Steckt dahinter ein zur Manie gewordenes Motiv-Recycling im Stile Arcimboldos? Auch auf langen, hochformatigen Stoffstreifen findet sich das Porträt Breytenbachs, umgeben von langen Texten in Englisch, Französisch und Afrikaans. Spontan würde man Lucky Luke assoziieren, resümiert eine der Text-Bild-Collagen doch: „En kyk dan uit: Never shit in a shade“. Der Comiccowboy zog seinen Revolver immer schneller als der eigene Schatten. Interessant auch, das lang und wie eine Ziehharmonika auseinander gezogene Leporello „Mémoire de Sens“, womit weniger eine Erinnerung an die französische Stadt als vielschichtige Notate der Sinne in einem Tagebuch gemeint sind. Malend und collagierend und schreibend verarbeitet Breytenbach in der noch im Entstehen begriffenen Arbeit Eindrücke von politischer und sozialer Relevanz, so das Porträt eines palästinensischen Selbstmordattentäters und dessen Selbstzeugnis auf Arabisch. So sehenswert Breytenbachs Arbeiten sind und so erfreulich es ist, dass das Einstein Forum auch ein Ort für Ausstellungen sein will, verwundert der nachlässige kuratorische Umgang mit den Arbeiten. Überschrieben ist die kleine Werkschau als „Bildstörungen“, doch Titel oder weitere Angaben zu den Arbeiten finden sich kaum auf diesen selbst. Und spielen gerade in die Hängung nicht diskutable Geschmacksfragen und auch Einflüsse des Künstlers mit, geht im Wohnraum-Ambiente des Einstein Forums bei der dichten Präsentation der Arbeiten einiges ihrer Sprengkraft verloren. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Ausstellung nur dekoratives Beiwerk zu der Tagung „Terror, International Law, and the Bounds of Democracy“ am gleichen Ort im März des Jahres sein soll. Breytenbach wird einer der Referenten sein. Doch seine Arbeiten hätten mehr Aufmerksamkeit verdient.

Götz J. Pfeiffer

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