zum Hauptinhalt

Kultur: Herr Jensen wirft den Fernseher raus

Jakob Hein liest heute im Waschhaus aus seinem neuen Roman „Herr Jensen steigt aus“

Mit seiner vierten Veröffentlichung „Herr Jensen steigt aus“ hat der 1971 geborene Sohn Christoph Heins die autobiographische Erzählebene verlassen. Der gerade erschienene Roman handelt von dem schrulligen Charakter Herr Jensen und wie er der Welt den Rücken kehrt. Jakob Hein, der schon mehrfach das Waschhaus mit seinem Vortrag zum Drogenkonsum in der Fernsehserie „Die Simpsons“ zum Bersten brachte, wird heute Abend auf Einladung des Literaturladens Wist und des Waschhauses im neuen Kunstraum lesen.

Warum haben Sie Herrn Jensen, dem traurigen, gerade entlassenen Aushilfspostboten, keinen Vornamen zugestanden?

Weil ich keinen Vornamen für ihn hatte. Ich habe ihn als Herr Jensen kennen gelernt, dabei ist es geblieben. Es gibt übrigens auch niemand, der ihn bei seinem Vornamen nennen könnte.

Kein Job, keine Frau, keine Freunde. Trotzdem ist Herr Jensen mit sich und dem Nichtstun zufrieden. Ist Herr Jensen ein Adept der Neuen Bürgerlichkeit, oder doch ein stiller Rebell?

Ich sehe ihn nicht als zufriedenen Menschen, sondern fürchte, dass er zutiefst unglücklich mit seiner Lebenssituation ist.

Ihr Held will dem System auf den Grund gehen, analysiert dazu gerade die inhaltsleersten Fernsehsendungen. Er sucht das Richtige im Falschen. Kann Absurdität die Suche nach dem Sinn ersetzen?

Natürlich geht das und Herr Jensen findet auch eine für sich wichtige Antwort.

Herr Jensen ist ein sehr genügsamer Mensch. Er beschließt, die „Scheinwelt“, vermittelt aus Fernsehen und Zeitungen, aus seinem Leben zu verbannen. Würde Herr Jensen sich gut mit Sven Regeners „Herr Lehmann“ verstehen, der ja auch mit wenig zufrieden war?

Herr Jensen und Herr Lehmann würden sich wahrscheinlich niemals begegnen. Im Gegensatz zu Lehmann hat Jensen keine Freunde und braucht diese auch nicht.

In Ihrer Beschreibung des Arbeitsamtes und der Qualifikationsmaßnahme „Fit for Gastro“, die Herr Jensen durchleidet, blitzt eine große Beobachtungsgabe und Sozialkritik auf. Sie sind Vater, Arzt und Schriftsteller. Wann und wo haben Sie bloß diese amüsanten Szenen recherchiert?

Ich finde, wenn man mit offenen Augen und Ohren in unserer Zeit, in unserem Land lebt, dann ist es fast unmöglich, nicht mit diesen Realitäten konfrontiert zu sein. Humor ist dann immer ein Produkt aus Tragödie und Abstand.

Wenn Sie mit Ihrem Vater Christoph Hein über Ihr neuestes Buch reden, erkennt er in Herr Jensen ein Stück von seinem Sohn wieder?

Das müssen Sie ihn bitte selbst fragen.

Wann kann Potsdam endlich einen weiteren Simpsons-Vortrag von Jakob Hein und Falko Hennig hören?

Das müssen Sie bitte das Waschhaus fragen.

Das Interview führte Matthias Hassenpflug.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false