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Kultur: Frauen im Flirt mit der Kamera

Regisseur Rolf Peter Kahl präsentierte im Thalia „Mädchen am Sonntag“

Gewisse Dinge lassen sich schwer mit einer großen Ausstattung auf eine Leinwand bringen. Nähe, Ehrlichkeit und Intimität gehören dazu. Für seinen Dokumentarfilm „Mädchen am Sonntag“, eine 99euro-film genannte Low-Budget-Produktion über vier Jungschauspielerinnen, hat der Regisseur Rolf Peter Kahl nur eine Mini-DV Kamera gebraucht. „Die gibt es für 800 Euro bei ebay“, erzählte er am Samstag im Babelsberger Thalia Kino. Bei den mit dieser Amateurtechnik aufgenommenen Gesprächen wäre man nur zu dritt gewesen. Er, die Kamerafrau Tanja Trentmann und eine der vier porträtierten Schauspielerinnen.

Da liegt Laura Tonke, die die Hauptrolle in Michael Kliers „Farland“ spielte, auf einem Hotelbett, isst Obst und erzählt von ihrer Angst, die sie regelmäßig befällt, wenn sie gerade keinen Film dreht. Das Gesicht von Nicolette Krebitz, die bei „Bandits“ mitspielt, wird vom Schein eines brennenden Kamins erleuchtet. Sie redet über ihr Leben als Schauspielerin und ihre Rollen. Und die kleine Videokamera beobachtet ganz groß den Menschen hinter dem bekannten Jungstar. Zerbrechlichkeit, Unsicherheit, Fragilität. Aber man erkennt auch, wie hier sofort ein Flirt mit dem Objektiv einsetzt, als könne man die Schauspielerei eben nie lassen. Rolf Peter Kahl hatte vor fünf Jahren bereits die Idee, Filme zu produzieren, die nur über ein Budget von 99 Euro verfügen sollten. Die Freiheit ohne den Druck von Produzenten und ohne teures Gerät in kürzester Zeit einen Film zu machen, sollte neue künstlerische Wege eröffnen. Auf die vier Schauspielerinnen kam Kahl auf ganz profanem Wege. „Laura Tonke kenne ich seit zwölf Jahren und Nicolette Krebitz kannte ich von den ersten 99euro-films, wo sie Regie führte.“ Katharina Schüttler habe er bei einer Party kennen gelernt, und Inga Birkenfeld war die Freundin seiner Freundin.

Kahl wollte einen Porträtfilm ohne journalistisches Abfragen machen, sagte er am Rande der Vorführung vor 20 Filmfreunden. Raus aus dem Studio, hieß seine Devise. „Raus gehen aus der gewohnten Umgebung, in der man abgelenkt wird.“ Und so führte er die Porträtierten jeweils in eine Landschaft, die ihrem Temperament entsprach. Und die „ein bisschen ist wie Urlaub, ein bisschen wie Sonntag“ wirken sollte. Diese wunderschön von der Kamera eingefangenen Landschaftsaufnahmen, die zwischen die Gesprächsteile geschnitten sind, wirken wie eine Metapher für die Innerlichkeit der Darstellerin. So läuft Laura Tonke über eine große Wanderdüne im fahlen Licht, das an ihren Film „Farland“ ganz bewusst anknüpfen soll. Um diese Entsprechung zwischen Charakter und Landschaft zu erreichen, sei er innerhalb der dreieinhalb Monate Produktionszeit „den Jahreszeiten hinterher gefahren“. Polnische Ostsee, der Englische Garten in München, die Alpen.

Kahl spürte der Identität seiner reizvollen Objekte nach. „Mädchen am Sonntag“ handelt von einer Generation von Frauen zwischen 20 und 35. Sie alle zeichnet aus, meint Kahl, dass sie mit einer Ambivalenz leben. „Dass sie so frei sind und auch emanzipiert sein müssen und sollen, dass ihnen alles offen steht, sie selbstbewusst und selbständig sind, und doch manchmal mit dem Überangebot an Freiheit nicht zurecht kommen.“ Was er bei den Schauspielerinnen herausgefunden hat, hält er für universell: Bedingungen, so der Regisseur, die auch eine Busfahrerin, eine Studentin oder eine Ergotherapeutin gut kennen würden. „Ich glaube“, sagt er, „es ist die schwierigste Rolle, die es gibt, bei sich selbst zu bleiben und über sich selbst zu erzählen.“ Matthias Hassenpflug

Matthias Hassenpflug

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