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Kultur: Fersige Verse

Der Liedermacher Karl-Heinz Bomberg sang in der Landeszentrale für Politische Bildung

Der Liedermacher Karl-Heinz Bomberg sang in der Landeszentrale für Politische Bildung In seinen besten Zeiten löste der sendungsbewusste Liedermacher entweder Beifallsstürme aus oder Skandale. Die Säle waren brechend voll, Zustimmung allerwegen. Ob brachial oder mit summend-leisen Tönen vorgetragen, das Publikum ahnte die Subversion. Heute muss er im Schweiße seines Angesichts um Zustimmung kämpfen, er sieht die leergebliebenen Plätze vor sich, freut sich über jedes Lächeln unten. Von provozierter Unruhe weit und breit keine Spur. Am Dienstag gab der promovierte Mediziner Karl-Heinz Bomberg in der Landeszentrale für Politische Bildung vor zwanzig Hörern so ein Konzert, seiner Ansicht nach „Fersige Verse“. Einst besang der Berliner Psychotherapeut die real-existierenden Mängel der DDR so gut, dass man ihn ins Gefängnis steckte. Doch was er unter dem offiziellen Titel „Nachlese extra“ vortrug, brillant geschriebene und intonierte Lieder für die Gitarre, dazu geschüttelte und gekalauerte Reime eigener Feder (Motto im Trotze: „besser schlecht gereimt als am Ende gut geschleimt“), war eine handzahme Melange aus menschelnder Menschlichkeit mit mehr oder weniger offenen Pointen. Etwa: Wenn Herr Klafft und Frau Lücke sich lieben, bleibt eine Lücke klaffen. Naja. Sein lose geordnetes Programm beschäftigte sich mit Tieren und Pflanzen, mit Herz und Schmerz in Liebe an Kindern und Menschen, sprachverliebt im Rüttelmaß. Aktual-Politik blieb weitgehend außen vor, „der Zeitgenoss“ und Mensch an sich“ freilich nicht“: Bomberg setzte ihn nach dem Spruch „Wohl dem, der Gutes tut“ in das Spannungsfeld einer allgemeinen Moral. Der Barde von heute mokiert sich über Herrn Binder, welcher mit Anzug und Schlips stets tut, was sein Chef von ihm verlangt, wobei der Musiker hier die Gitarre rattern lässt, in stärkster Dissonanz. Seinen „alten Liedern“ wünscht er, weit zu fliegen, bittet aber um Rückmeldung, wenn sie angekommen seien. Schöne, poetische Sachen waren extra auch dabei, über 90 lange Minuten: „Ich steh fest, wenn ich renne“, „Menschen sind, wie Menschen sind“ oder die Mär von „Philipp“, dem bösen. Es gab mehr davon, bis zum Weltuntergang der letzten Stunden. Bombergs Wege und Ziel: „Suchen und finden ein Licht auf dem Weg“, denn „wer sagt mir, wo geht es entlang?“ Eingestreute Mehrzeiler dialektischer Art („dickköpfig-dünnhäutig“) brachten ein solches Licht nicht ans Licht. Es ist ja des Aphorismus Natur, fast immer im Nichts zu verpuffen. Trotz gewinnendem Lächeln blieb so manche Lücke klaffen – „Kleine Pille – große Stille“, medizinisch gesprochen. Musikalisch ein anspruchsvolleres Programm. Angenehme Stimme, gängige Melodien, jede Menge Synkopen, dazu ein Schmeichelton, bis ins Tremolieren an den alten Reinhard May erinnernd. Einmal griff er gar zur Trompete, aber das wäre nicht nötig gewesen. Wo blieb nun der subversive Biss? Die entscheidende Lücke. Alles nett, nichts gefährlich. Fast zahnlos, wenn er Berufsgruppen gegeneinander reiht, nicht eben klug, wie er über Blödheit philosophiert. Und der merkwürdige Titel? „Bleibt der Umwelt weiter auf den Fersen, mit meinen Versen!“ Also doch ein Fünkchen „Mission“. Aber „nicht immer schafft ein letztes Wort Zufriedenheit am letzten Ort“: Das Publikum wollte wohl kein Lückenbüßer dieses matten Abends sein. Man widmete sich statt eines Gespräches „danach“ dem fiscalisch genehmigten Imbiss, der Steuerlücke Brandenburgs angepasst, wie es extra hieß. Gerold Paul Karl-Heinz Bomberg, „Autor ohne Lenker“, Lieder und fersige Verse, erschienen in der edition belletriste.

Gerold Paul

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