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Kultur: Europa-Gedanken nicht erst seit heute

Ausstellung des Potsdam-Museums gestern im Haus der Brandenburgisch-preußischen Geschichte eröffnet: „Königliche Visionen – Potsdam eine Stadt in der Mitte Europas“

Ausstellung des Potsdam-Museums gestern im Haus der Brandenburgisch-preußischen Geschichte eröffnet: „Königliche Visionen – Potsdam eine Stadt in der Mitte Europas“ Von Klaus Büstrin Ohne Zweifel: die Ausstellung „Königlichen Visionen“ ist die umfangreichste in der fast 100jährigen Geschichte des Potsdam-Museums. 450 Exponate, darunter 170 Leihgaben, reflektieren über Potsdam als eine Stadt in der Mitte Europas. Zu sehen ist sie ab heute im Haus der Brandenburgisch-preußischen Geschichte (HBPG) im Kutschstall, das am 12. Dezember mit einer ständigen Ausstellung offiziell eröffnet wird. Die „Königlichen Visionen“, so Kulturministerin Prof. Johanna Wanka auf der gestrigen Pressevorbesichtigung, sind Probelauf für die HBPG-Eröffnung. „Dieses Haus soll durch die Kooperation mit den Regional- und Spezialmuseen im Land eine wichtige Schnittstelle, aber auch ein Schaufenster für die Präsentation landesgeschichtlicher Themen werden. Als Ort der Kommunikation könnte es sich etablieren und ein touristischer Anziehungspunkt hier am Neuen Markt sein, wo sich mehrere geisteswissenschaftliche Einrichtungen befinden“, sagte die Ministerin. Die gestern eröffnete Ausstellung ist das erste Gemeinschaftsprojekt des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte und des Potsdam-Museums. Die Kulturbeigeordnete der Landeshauptstadt lobte dann auch die sehr gute Zusammenarbeit zwischen bei den Einrichtungen. „Viele Jahre lang hatten die Mitarbeiter des Potsdam-Museums die Vision, endlich eine große und repräsentative Ausstellung in einem dafür geeigneten Haus mit wunderbar technischen Bedingungen zu gestalten. Nun endlich haben sie die Möglichkeit.“ Gabriele Fischer hofft, dass die „Königlichen Visionen“ der Auftakt zu weiteren fruchtbaren Ausstellungen führen wird. „Die Schau ist auch ein wichtiger Meilenstein für die Bewerbung Potsdams zur Kulturhauptstadt Europas im Jahre 2010“. Europa, das diesjährige Thema von „Kulturland Europa“, ist das Leitmotiv der Ausstellung: Potsdam – eine Stadt in der Mitte Europas. Den Europa-Gedanken, wenn auch nicht mit dem heutigen politischen Anspruch, konnte man bei den Hohenzollern immer wieder erleben. Man schaute gern über brandenburgisch-preußische Grenzen hinweg, beobachtete aktuelle Tendenzen in Sachen Architektur, Kunsthandwerk, Malerei, Gartenkunst etc., nahm Anregungen von Europa auf. Und immer wieder warben die Monarchen um Fachleute aus den Nachbarländern, vornehmlich aus den Niederlanden, Frankreich oder Italien. Und viele kamen, gestalteten eine Stadt, in der man vor allem in baukünstlerischer Hinsicht Europa und darüber hinaus noch heute erleben kann: das Holländische Viertel, die Russische Kolonie, Villen, die an Italien und England erinnern. Aber nicht nur nach den künstlerischen und kulturellen Tendenzen hielten die Kurfürsten, Könige und Kaiser Ausschau, sondern sie interessierten sich für die Ökonomie, das Militär, die Philosophie und die Religion. „Die Ausstellung orientiert sich deshalb an die Landesherren, doch es ist keinesfalls eine monarchische Ausstellung“, sagte Kuratorin Dr. Friedhild den Toom den Medienvertretern. Die „Königlichen Visionen“ finden im oberen Stockwerk des Kutschstalls statt. In sieben Kapiteln wird Wichtiges über Potsdam mit Hilfe der Hohenzollernfamilie, die ja die Stadt gut 250 Jahre prägten, erzählt. Im Jahre 1660 erklärte der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm Potsdam zur zweiten brandenburgischen Residenz neben Berlin. 1918 ist es vorbei mit der Residenzstadt. Am 28. November unterschreibt Kaiser Wilhelm II. die Abdankungsurkunde, doch bereits schon im Exil auf Schloss Amerongen im holländischen Utrecht. Zwischen diesen Daten 1660 und 1918 hat es in Potsdam viele blühende Zeiten gegeben, aber auch Stagnation. Friedhild den Toom und die Mitarbeiter des Potsdam-Museums haben aus den umfangreichen Sammlungen der Einrichtung und mit Leihgaben eine spannende Ausstellung konzipiert. Ihnen zur Seite stand die Gestalterin Sascha Nowak. Jedem Monarch (Friedrich Wilhelm II., Wilhelm I. und Friedrich III. wurde ausgelassen, obwohl es auch bei ihnen – auf alle Fälle bei Friedrich III. - zu dem Thema etwas finden ließe) wurde eine Abteilung mit einer bestimmten Farbe zugewiesen. Friedrich Wilhelm I. erhielt beispielsweise die Farbe Blau. Sie soll an die Soldatenröcke erinnern. Potsdamer Glaskunst wie Goldrubingläser, Trichterpokale, Deckelpokale, oftmals geblasen von dem berühmten Johann Kunckel, kann man in der Kurfürstenabteilung bewundern, auch widmet man sich hier dem Potsdamer Edikt, das Friedrich Wilhelm erließ. Er eröffnete damit eine Toleranzpolitik und den Weg nach Europa. So nach Holland: Statuetten mit Porträts der Familie Oranien bezeugen die familiären Bindungen zu dem westeuropäischen Land. Friedrich Wilhelm I. holte – wie seine Vorfahren – ebenfalls ausländische Handwerker nach Potsdam. Er war besonders daran interessiert, Lütticher Gewehrmanufakturarbeiter in die Residenzstadt zu verpflichten. Da sie katholischen Glaubens waren, baute er für sie ein Gotteshaus auf dem Gelände der Gewehrfabrik. Von der Propsteikirche St. Peter und Paul erhielten die Ausstellungsmacher mehrere Leihgabe, u.a. Gemälde des französischen Malers Antoine Pesne, eine Strahlenmonstranz, die zur Anbetung und für die Liturgie von den Lüttichern benutzt wurden. Fayencen, KPM-Porzellan oder ein Webstuhl bezeugen in der Abteilung Friedrichs des Großen dessen Einsatz für das Manufakturwesen, aber auch die architektonischen Ambitionen des Königs werden mit Beispielen belegt. Bei dem sonst so unkünstlerischen Friedrich Wilhelm III. bekamen Landschaftsgestalter wie Lenné oder Architekten wie Schinkel viel Raum für ihre gestaltenden Arbeiten. Auch die Anerkennung von mehr Bürgerrechten spielt in dieser Abteilung eine Rolle. Mit dem Porträtgemälde Carl Christian Horvath, der 1809 zum ersten Vorsteher der Stadtverordnetenversammlung gewählt wurde, ist dies dokumentiert. Natürlich spielt die Russische Kolonie als Zeichen der Freundschaft Preußen-Russland eine Rolle. Friedrich Wilhelm IV. Italiensehnsucht und seine Traum-Umsetzung in Potsdam wird mit wunderbaren Gemälden und Bauzeichnungen von Carl Gustav Wegener, Karl Lindemann-Frommel und den Baumeistern Persius, von Arnim, Stüler und Hesse beleuchtet. Den Schlusspunkt setzt Wilhelm II. Nicht nur der kriegsführende Kaiser hat in der Exposition das Sagen, auch derjenige, der die Wissenschaften in Potsdam förderte. So sind auf sein Betreiben die Königlichen Observatorien entstanden. Forschungsgeräte vom Ende des 19. Jahrhunderts (Astrophysikalischen Institut Potsdam) belegen den hohen modernen technischen Standard damaliger Zeit. „Das gantze Eyland muss ein Paradies werden ...“ wünschte sich 1664 Johann Moritz von Nassau-Siegen von Potsdam. Mit Paradiesen auf dieser Welt ist es so eine Sache. Doch wenn man die einstige Stadtmitte Potsdams betrachtet, wünscht man sich einen kleinen Abglanz von dem einstigen Pracht Potsdams zurück. Da sind nun die Visionen der Bürger von heute gefragt. Die Ausstellung „Königliche Visionen“ könnte ein wunderbarer Anstoß dazu sein. „Königliche Visionen“, Ausstellung des Potsdam-Museums in Kooperation mit dem HBPG im Kutschstall vom 30. August 2003 bis 28.3. 2004, Di-So 10-18 Uhr, Mi bis 20 Uhr, Katalog.

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