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Kultur: Ernüchterung trotz Potenzial und Ideen Die bildende Kunst in der Landeshauptstadt

Die bildende Kunst der Landeshauptstadt ist ein Mensch mit breitem Kreuz. Das braucht er auch.

Die bildende Kunst der Landeshauptstadt ist ein Mensch mit breitem Kreuz. Das braucht er auch. Nicht nur, weil man ihm rückblickend nur vielmals anerkennend auf die Schultern klopfen kann. Groß ist die Zahl der realisierten Ausstellungen und Projekte. Viele Künstler, Galeristen und Kuratoren haben in den vergangenen Monaten am künstlerischen Gesicht der Stadt gearbeitet. Und das trotz aller Schwierigkeiten. Für die Pole, zwischen denen Kunst und Künstler sich 2004 bewegten, können zwei Projekte Rainer Fürstenbergs stehen. Zu Recht gelobt wurde seine von Ideen und Wasser sprühende Rekonstruktion der historischen Neptungruppe unweit des Mercure-Hotels. Wenig später sah der Potsdamer Bildhauer schwarz und verhüllte seine Skulptur auf der Freundschaftsinsel. Todernst und sterbenselend sei die Stimmung in der hiesigen Kunstszene. Zwischen Euphorie und Ernüchterung gab es aber noch viel konzeptionelle Beständigkeit und einige neue Ideen. Neben den regelmäßigen Ausstellungen beschickte die Sperlgalerie eine ansehnliche Schau in die brandenburgische Landesvertretung in Berlin und organisierte Potsdams erste, gut bestückte Grafikmesse. Kontinuität in surreal-realistischer Malerei und Grafik bot die Galerie am Neuen Palais. Nur zwei Ausstellungen fanden in der wiedereröffneten Galerie Burstert, Albrecht statt. Neu wurde die Galerie Ruhnke gegründet, die erste schöne Ausstellungen in der Hegelallee 41 zeigte. Eine neue Stimme auch der surreal-skurrile Neupotsdamer Maler Axel Gundrum mit seiner Ateliergalerie. Und die Friedrich-Naumann-Stiftung öffnete ihre Babelsberger Truman-Villa als Ausstellungsort für Bilder und Skulpturen. Bedauerliche, aber vorhersehbare Verluste waren der Tod des neunzigjährigen Malers Hubert Globisch und des schwer erkrankten Malers Karl Raetsch. Vom stillen Globisch zeigte das Potsdam-Museum zuletzt entstandene Bilder in einer kleinen Schau. Der lebensvolle Künstler Karl Raetsch hatte eine letzte, posthum gezeigte Ausstellung mit seiner Frau Barbara für ihre Atelierkapelle auf dem Hermannswerder konzipiert. Erfreulich war, dass die Schlösser und Gärten-Stiftung die Römischen Bäder für eine Ausstellung Peter Rohns und die Turmgalerie für eine Gruppenausstellung der Kunstschule Potsdam öffnete. Beachtenswert auch, wie das Kunsthaus Potsdam am Ulanenweg es verstand, mit dem Bildhauer Hans Scheib und dem Maler Arnulf Rainer zwei namhafte zeitgenössische Künstler für Ausstellungen zu gewinnen. Gleich zwei umfangreiche Projekte wurden in der hauptsächlich von Bildhauern betriebenen Panzerhalle realisiert. Und das Kunsthaus Strodehne konnte sich über sein 15-jähriges Bestehen und die Verlängerung des Pachtvertrages für das Atelierhaus im Rhinower Ländchen freuen. Jedoch, wo Licht, da auch Schatten. Ein geschmacklicher und qualitativer Absturz war die „Jagdfieber“-Ausstellung des Brandenburgischen Kunstvereins im Luisenforum. Wenig später wurde der Vorstand des Vereins ausgewechselt. Unrühmlich köchelte die mit kleinster Flamme betriebene Ticketgalerie vor sich hin. Nur die Ausstellung mit Susanne Müllers Fotos vom Abzug russischer Truppen verdient Erwähnung. Nach einer mehrjährigen Odyssee soll die Ticketgalerie nun unter dem neuen Kurator Erik Bruinenberg als Inter-Galerie den sicheren Hafen ansteuern. Eine Neuerung war das von der städtischen Kulturbeigeordneten Gabriele Fischer einberufene Forum Bildende Kunst. Seit Anfang des Jahres wurde in fünf Sitzungen über die Lage von Kunst und Künstlern beraten, wurden Interessen und Ideen gesammelt. Doch verschiedene Teilnehmer ließen verlauten, die Treffen wären enttäuschend und unbefriedigend. Zwar war die immer wieder gewünschte Kunsthalle Thema, doch sei fraglich, ob ein Umbau der Potsdamer Fachhochschule am Alten Markt und eine Nutzung ab 2008 ein erreichbares Ziel wären. Die bildende Kunst der Landeshauptstadt hat breite Schultern. Und die wird sie neben einem langem Atem für die Zukunft auch nötig haben. Aber wer könnte ihren Klimmzügen unter die Arme greifen? Im Vorblick auf das Wahljahr 2006 sollten die Politiker zweierlei bedenken. Kunst bedeutet nicht nur Zuschuss-Geschäft, sondern auch Lebensqualität. Und: Künstler, Galeristen und Kuratoren sind auch Wähler.

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