zum Hauptinhalt

Kultur: Erhalten, nicht nivellieren

3. „Frankfurter Gespräch“ mit Ministerin zu Theaterverbund

3. „Frankfurter Gespräch“ mit Ministerin zu Theaterverbund Nicht erst seit gestern und heute knirscht es im Getriebe des brandenburgischen Theater- und Orchesterverbundes. Wie den Motor wieder zum Laufen bringen? Am Mittwoch debattierten die Oberbürgermeister der Partnerstädte und Intendanten der entsprechenden Institutionen erneut mit Kulturministerin Johanna Wanka in Potsdam; am Donnerstag stand sie den Kulturlobbyisten der Oderstadt Rede und Antwort. Eingeladen dazu hatte der Kulturbund Frankfurt (Oder) e.V., bei dessen 3. „Frankfurter Gespräch“ sich alles um die „Lage der Kultur im Land Brandenburg und natürlich auch in Frankfurt (Oder)“ drehte. Getreu ihrer Devise „Nur etwas ändern, wenn man Besseres schaffen kann“ plädierte die studierte Mathematikerin für eine genaue Analyse vorhandener Strukturen, ob sie auch langfristig nachgefragt werden. Aus ihrer Sicht sei der Theater- und Orchesterverbund (TOV) „von der Idee her gut“, da jeder der beteiligten Städte ein spezielles Standbein erhalten sollte. Dass die verabredeten Planungen nicht eingehalten wurden, verlangt nach einer Modifizierung und Stabilisierung des Verbundes, nicht seiner Abschaffung. Eine vom Ministerium in Auftrag gegebene Analyse habe durchaus Positives ergeben: beispielsweise die Zunahme der Zuschauer und die Zahl von Neuinszenierungen. Die brandenburgische Theaterlandschaft sei in Ordnung, so Wanka, brauche nicht verändert oder reduziert zu werden. Konsens gibt es aber nicht in der Orchesterfrage. Gegenwärtig gibt es 138 Musikerstellen im Verbund, die jedoch „langfristig nicht finanzierbar“ seien. Wankas Vorstellungen orientieren sich an 110. Wie viel davon auf das Staatsorchester Frankfurt und wie viel auf die Brandenburger Symphoniker entfallen – die einen sprechen von einem Verhältnis von 70:40, andere von 55:55 – sei ihr egal: „Kann sein, muss aber nicht.“ Gäbe es jedoch keine Reduzierung der Musikerstellen, so gehe es mit allen bergab und ende im Crash. Den empörten Zwischenruf „Ist ein A-Orchester für das Land Brandenburg etwa zu viel?“ parierte die Ministerin mit dem eindeutigen Bekenntnis zu Erhalt und langfristiger Sicherung des Staatsorchesters. Aber: „Entscheidend ist nicht die Zahl seiner Mitglieder!“ Also doch ein Pferdefuß, wie viele der Zuhörer empfanden. Da das Land über den TOV die Orchester zu wesentlichen Teilen finanziere, leite es für sich Einspruchsmöglichkeiten gegenüber den Kommunen ab. Es bewahrheitete sich wieder die Erkenntnis: Wer bezahlt, bestimmt die Musik. Die emotional geführte Debatte schien zu kippen. Die Wogen suchte Hinrich Enderlein, Moderator des Abends und Vorsitzender des Brandenburgischen Kulturbundes e.V., zu glätten. Er habe die Hoffnung, dass die ausgedünnte Kulturlandschaft nicht noch weiter verdorre. Seine Forderung an die Ministerin: „Das, was noch da ist, in Qualität zu erhalten.“ Wobei Erhalten nicht nivellieren heißen dürfe. Diese Gefahr sah auch Ex-Orchestermanager Peter Wolfshöfer, der an ähnliche Vorhaben in Altbundesland erinnerte, die nicht funktionierten. Es gehe nicht an, das Problem des Verbundes auf eine Orchesterproblematik zu reduzieren, wie es Wanka täte. Was, so frage er sich und die Ministerin, hat Brandenburg/H. überhaupt für Aufgaben im Verbund zu übernehmen. Laut Plan sei es die Musiktheaterproduktion, doch die gäbe es schon lange nicht mehr. Chor, Ballett, Bühnentechnik und Solistenensemble sind längst entlassen. Einzig das Orchester existiere noch, suche seine Aufgaben aber im sinfonischen Bereich und gerate dadurch in Konkurrenz zum Staatsorchester. Auch so könne man den TOV aushebeln. Und nun solle das Staatsorchester gar die Probleme der Brandenburger Symphoniker lösen helfen...?! Der Frust sitzt tief. Dessen Fördervereinsvorsitzender Karl Christoph von Stünzner warf der Ministerin vor, sie habe drei Jahre lang nur zugesehen, was in Brandenburg und Potsdam „so gelaufen“ ist. Jetzt stehe sie vor einem Scherbenhaufen. Was sollte sie darauf antworten? Am besten: nichts. Rasch erhitzten sich die Gemüter über die Qualitäten von (einstufender) A-, B- und C-Klasse. Die beginnende Neiddebatte über die Leistungen der beiden Klangkörper beendete Hornist und Orchestervorstand Eckhard Schulze, der solche Vergleiche „unsachlich und nicht fair“ fand. „Doch wie soll''s mit TOV und Staatsorchester weiter gehen? „Das Minimum für''s Spielen von so genannter großer Sinfonik sind 82 Musikerplanstellen“, so Schulze. „Werden sie darunter abgesenkt, sind die Aufgaben des Staatsorchesters nicht mehr zu erfüllen!“ Mehr Anerkennung des Staatsorchesters durch die Landesregierung forderte Solo-Kontrabassist Stefan Große-Boymann ein. Darin unterstützt wurde er von Bürgermeisterin Katja Wolle, die monierte, dass der zentrale Festakt zur EU-Erweiterung in Frankfurt (Oder) nicht durch das Staatsorchester des Landes, sondern durch das Deutsche Filmorchester Babelsberg musikalisch ausgestaltet werde. Trefflicher könne man das Desinteresse an seinem „Leuchtturm“ nicht zum Ausdruck bringen. Ein unhaltbarer Zustand. Wie ihn ändern? Über die Spielstättenförderung müsse dem Staatsorchester zusätzliche Auftrittsmöglichkeiten geschaffen werden, forderte Landtagsabgeordneter Frank Hammer (PDS) ein. Die Kommunen sollten dafür Geld erhalten, damit sie sich ein Orchester einkaufen könnten wie es durch das sächsische Kulturraumgesetz ermöglicht werde, schlug Eckhard Schulze vor. Da es einen zentralistischen Anstrich habe, entgegnete Wanka, seien Brandenburgs Landräte dagegen. Mit solchen Gegebenheiten müsse man sich abfinden. Nicht jedoch, dass sich die TOV-Partner der Diskussion über das Sinnvolle und Machbare verweigerten. Peter Buske

Peter Buske

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false