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Kultur: Eindringlich und schlicht

Weihnachtskonzert des Nikolaichores unter Björn O. Wiede in St. Nikolai

Weihnachtskonzert des Nikolaichores unter Björn O. Wiede in St. Nikolai Von Peter Buske Krippenfiguren, aus gebranntem und unbemalten Ton, lenken die Blicke auf sich. Sie sind auf den Stufen zum Altarraum von St. Nikolai aufgestellt. Ganz oben befindet sich die Heilige Familie samt Krippe. Esel, Schaf und Rind umlagern sie. Weiter nach unten folgen drei Hirten und die Weisen aus dem Morgenland. Allesamt sind es urwüchsig modellierte Gestalten, fern naturalistischer Feinheiten. Zwischen ihnen brennen drei Kerzen. Von dieser Zahlensymbolik der Trinität scheint auch Nikolaikantor Björn O. Wiede beim Weihnachtskonzert seines Nikolaichores am 2. Feiertag eine Menge zu halten, obwohl der Programmzettel nur zwei Werke ausweist. Um die biblisch bedeutsame Dreigliedrigkeit zu gewährleisten, lässt er die Sänger im Vorraum das Weihnachtslied „Es ist ein Ros'' entsprungen“ a cappella anstimmen. Ein effektvolles Entree. Mit Bach zur Geburt Jesu An Bach führt auch an diesem Tag natürlich kein Weg vorbei. Doch statt irgendwelche Kantaten aus dem „Weihnachtsoratorium“ aufzuführen, lässt er die Kantate „Nun komm, der Heiden Heiland“ BWV 61 auf einen Text von Erdmann Neumeister erklingen, die Johann Sebastian für den gottesdienstlichen Gebrauch am ersten Advent 1714 in Weimar schrieb. Auch wenn die Aus-Wahl nicht ganz im Einklang mit dem Kirchenjahr steht, passt ihre poetische Botschaft von der erwarteten Geburt Jesu durchaus in das eigentliche Weihnachtsgeschehen. Freudig bewegt und weich getönt stimmt die Sängerschar den Eingangschor an. Pastorales Empfinden verbreitet die streicherbesetzte, auf modernen Instrumenten spielende Camerata Potsdam, deren der Gegenwart verhaftete Musizierhaltung dennoch viel wiegende Behaglichkeit vergangener Zeiten auszudrücken versteht. Höchst effektvoll Durchweg lyrische Stimmen entsprechen den kontemplativen Absichten des Dirigenten. Nils Giesecke (Halle) schlägt im Tenor-Rezitativ ein gemäßigtes Tempo an. Hell und klar bleibt seine Stimme auch in der schlicht vorgetragenen Arie „Komm, Jesu, komm“. Nicht mehr als nur ein kurzes Rezitativ steuert Bassbariton Thomas Wittig (Potsdam) bei. Originell, wie Bach das textliche Türanklopfen mit Pizzicati der Streicher und entsprechenden Figurationen auf der Orgel (Jörg Strodthoff, Berlin) höchst effektvoll illustriert. Lieblich, geradezu beseligt singt Sopranistin Esther Lee (Berlin) ihre Arie „Öffne dich“, begleitet von Orgel und zwei Violoncelli. Mit einem kurzen „Amen“-Chor endet die Adventskantate. Klanglich wesentlich opulenter gibt sich das „Oratorio de Noël“ für Soli, Chor und Orchester op. 12 von Camille Saint-Saëns (1835-1921), die hochromantische, schwelgende und sinnenglühende Variante eines Weihnachtsoratoriums auf lateinischen Text. Eine eigentliche Handlung fehlt indes. Das Werk beginnt mit der Verkündigung der Geburt Jesu durch den Engel des Herrn an die Hirten. Daran schließen sich Lobpreisungen und Hoffnungen an den Erlöser an. Auch hier zeigt sich der Nikolaichor, dessen einzelne Stimmgruppen vorzüglich miteinander verschmelzen, ganz von seiner klangschönen Seite. Gebührend aufgeregt singt er den Satz „Warum toben die Völker“, untermalt nicht weniger gekonnt die Arien der Solisten. Wieder begeistert der seelenerwärmende, mühelos in die Höhe strebende Sopran von Esther Lee, der bassbaritonale Schmelz von Thomas Wittig, das kraft- und glanzvolle Strahlen von Tenor Nils Giesecke. Seine ariosen Höhenflüge wirken gelegentlich wie Samsonsche Liebesbekenntnisse an Dalila, bringen regelrecht sinnliche Momente auf die „Bühne“. Gefühlsdicher Gesang Zu ihnen gesellen sich die Altistin Sibylle Juling (Berlin), die ihren Part empfindungsvoll und mit mütterlicher Wärme vorträgt, sowie Nicole Richter (vom Nikolaichor), die den Part des zweiten Solosoprans sehr sicher, sauber und klangschön meistert. Der gefühlsdichte Gesang, der sich von der Alt-Arie, der Tenor-Arie mit Chor über das Duo (Sopran/Bass) bis zum Quartett und Quintett mit Chor klangdramaturgisch in der Besetzung effektvoll steigert, wird ergänzt durch Klänge der Camerata Potsdam voller eindringlicher Schlichtheit. Einzelne Nummern werden von Orgel und Harfe (Eva Ignatjewa) höchst inniglich umspielt. Bei aller instrumentalen Sinnenglut schwingt insgesamt stets ein Hauch von Clarté mit, was etwas dürftig mit Klarheit zu übersetzen wäre. Weniger dürftig fällt der Beifall aus.

Peter Buske

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