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Kultur: Die vielen Gesichter der Gewalt

Havarie stellte in öffentlicher Probe das neue Stück „Gewalt im Spiel“ vor /Premiere am 23. Januar

Havarie stellte in öffentlicher Probe das neue Stück „Gewalt im Spiel“ vor /Premiere am 23. Januar Ganz in ihre Musik versunken, spielt das Mädchen Akkordeon. Die Mutter freut sich über das beherzte Musizieren der Tochter und spart nicht mit Lob und Küsschen. Vor allem aber hat sie den Wunsch, dass ihr „Püppchen“ heute Abend zum Geburtstag des Vaters mit ihr gemeinsam ein Ständchen vortragen möge. Doch ihr Ansinnen stößt bei „Püppchen“ auf taube Ohren. Kein Bitten, kein Drohen und auch keine Ohrfeige können das verstockte Mädchen erweichen. Die Tasten bleiben unberührt. Kein „Viel Glück und viel Segen“. Stattdessen nässt das Kind ein. Was hinter diesem „Affront“ steckt, wird schnell deutlich: der Vater missbraucht das „Püppchen“. Das Theaterstück „Gewalt im Spiel“ findet für diese Vergewaltigungsszene eine sehr sinnliche, unter die Haut gehende Übertragung: das Akkordeon wird zum Symbol des kleinen Mädchens, das schweigend die nächtlichen Übergriffe hinnimmt. Die Angst ist nunmehr ständigen Begleiter. Es sind viele Gesichter, die die Gewalt hervorbringt und die auch von der neuen „Havarie“-Produktion im Waldschloss ins Visier genommen werden. Man hat als Zuschauer zu tun, all’ diese Facetten in sich aufzunehmen und zu verarbeiten. Das Autoren-Quartett Fehrmann, Franke, Jankowiak und Ollrogge wollte viel mit seinem Stück: Schlaglichtartig wechseln sich die verschiedenen Formen sexueller Nötigungen ab: die Mutter hält den Sohn mit ihrem Geschmuse klein, der Vater unterbindet das intime Spiel des Sohnes mit einem anderen Jungen, der Chef missbraucht seine Position, um Mitarbeiterinnen weich zu klopfen, der Ehemann nutzt sein „Recht“ auf „Liebe“, wann immer es ihm danach begehrt... In einem Wirbel turbulenter Szenen spielen sich die drei Darsteller Alexandra Bosshard, Liz Hencke und Sascha Diestelmann durch die Abgründe menschlicher Beziehungen, zwischen den Machtansprüchen Erwachsener gegenüber Kindern ebenso wie von Erwachsenen untereinander. Man spürt die genaue Recherche der Macher und ihr Bemühen, oft verdrängte Tatsachen ohne Tabus und Umschweife anzusprechen. Das neue Stück in der Regie Ingrid Ollrogges wurde gestern erstmals vor Publikum getestet, bevor es am 23. Januar zur Premiere gelangt. Als erste Kritiker traten die 15- bis 17-Jährigen aus der 10 b der Schule 28 auf. Sie zeigten sich sowohl vom Stück als auch von den Schauspielern angetan. Natürlich gab es hier und dort Nachfragen, nicht alles war allen verständlich. Doch das Gezeigte animierte zur Diskussion. Und genau das ist erklärtes Ziel von „Havarie“: über Dinge, die bedrücken, zu reden und sie nicht in sich hinein zu fressen. So gibt es bei Bedarf Einführungen in das Stück sowie Gespräche danach und immer wieder auch Hinweise auf Kontaktadressen. Denn Gewalt ist überall und nicht nur ein „Quotentreiber“ im Fernsehen. Heidi Jäger Karten sind noch für den 23. und 24. Januar, jeweils um 20 Uhr, sowie für den 27., 28. und 30. Januar, jeweils um 11 Uhr, zu haben. Vorbestellungen werden unter Tel. 0331-719141 entgegen genommen. Auch im Februar steht das Stück auf dem Spielplan.

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