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Kultur: Die Sterne blinkten nicht hell genug

Vocalise 2003: Chanson-Instrumentale mit Stephanie Petit-Laurent und dem Wolf-Ferrari-Trio

Vocalise 2003: Chanson-Instrumentale mit Stephanie Petit-Laurent und dem Wolf-Ferrari-Trio Fleißig muss man sein, wenn man in einer so ungewöhnlichen Besetzung spielen will wie das Wolf-Ferrari-Trio. Zwei Geigen und ein Cello. Damit haben Beethoven, Schubert & Co. nicht gerechnet. Originalwerke für das Ensemble gibt es kaum. Also heißt das Zauberwort: „Transkriptionen“. Die jungen Musiker müssen sich die Werke, die sie spielen wollen, selbst zurecht schneidern. Unverdrossen stutzen sie berühmte Klavierwerke und Orchesterstücke auf ihr persönliches Streicherformat zurück, haben Spaß daran, und die Ergebnisse können sich hören lassen. Vielleicht werden sie irgendwann einmal zeitgenössische Komponisten dazu anregen, Stücke für zwei Geigen und Cello zu schreiben. Schließlich hat nicht einmal ihr Namenspatron ein geeignetes Werk für sie hinterlassen. Nur in den traditionellen Gattungen des Streichtrios und Klaviertrios hat Ermanno Wolf-Ferrari komponiert. Wenn der deutsch-italienische Spätromantiker allerdings in der Friedenskirche das Wolf-Ferrari-Trio gehört hätte ... wer weiß? Spätestens hier fragt man sich, warum sich das Ensemble nach dem wenig bekannten Komponisten benannt hat. Ganz einfach: Das Trio ist ein Teil des Wolf-Ferrari-Ensembles, das Berliner Studenten 1998 zu seinem 50. Todestag gegründet haben. Mit vergessenen Werken, nicht alltäglichen Konzertkonzepten und Besetzungen erobert es sich seinen Platz im Musikleben. Raritäten von Wolf-Ferrari gehören immer zum Programm. Sein „Lied ohne Worte“ hat er eigentlich für Klavier geschrieben. In der Transkription teilten sich die drei Streicher die sehnsüchtige Melodie. „Komponieren heißt für mich Singen“, lautete das Motto des Komponisten. Das verriet der Geiger Wolfram Thorau in seiner Konzertmoderation. Und ums Singen ging es auch beim Konzert „Chanson-Instrumentale“ im Rahmen der Potsdamer „Vocalise“. Da durfte neben dem Saitengesang auch die Stimme nicht fehlen. Stephanie Petit-Laurent ließ sich auf das Abenteuer ein, berühmte Klavierlieder in ausgefallenen Streicherbearbeitungen zu singen. Die Sopranistin aus dem Rias-Kammerchor Berlin hat eine junge, klangvolle Stimme, der man gern zuhört. Die Reife und Bühnenpersönlichkeit für einen wirklich erstklassigen Liederabend besitzt sie (noch) nicht. Ein bisschen angestrengt wirkt ihre Höhe schon im Bach-Choral. Bei Mendelssohn Bartholdy blinken die Sternlein nicht hell genug, und auch die brennende Sehnsucht sollte höher auflodern. Die Sängerin wagt sich ans große Repertoire: Schumann und Wagner, Beethovens Zyklus „An die ferne Geliebte“. Lieder mit einer gewichtigen Interpretationsgeschichte. Romantische Highlights, die das Publikum in vielen hochkarätigen Variationen kennt. Es ist schwer, dagegen anzusingen, eigene Akzente zu setzen, mit feinsten Farben und Nuancen zu fesseln. Dabei singt Stephanie Petit-Laurent mit emotionalem Engagement. Man spürt den „leisen Wind“ und die „innere Pein“. Ihre lyrische Stimme nimmt Mendelssohn „Gondellied“ mit beschwingter Leichtigkeit, vertieft sich aber auch in Wagners erdenschwere „Träume“. Den Überraschungserfolg des Abends landet sie aber doch mit einem vollkommen unbekannten Werk der vorletzten Jahrhundertwende: den „Rosenliedern“ des Diplomaten und komponierenden Dilettanten Philipp zu Eulenburg. Seine sentimentalen Lieder trafen in der Ära von Kaiser Wilhelm II den Zeitgeschmack. Stephanie Petit-Laurent machte die schlichten, volksliedhaften Melodien mit ihrer schlanken, natürlichen Stimme zum applausstärksten Stück des Konzerts. Samtig umschmeichelten die drei Streichinstrumente die Stimme der Sopranistin. Ungewohnt und doch stimmig wirken die Transkriptionen der Klavierlieder. Der volle Klang, die weichen Konturen stehen manchen Passagen sogar ausgezeichnet. Wagners nebelverhangene Träume oder die Zwischenspiele von Schumanns „Mit Myrten und Rosen“ scheinen geradezu für Streicher erdacht zu sein. In anderen Fällen, etwa bei Wolf-Ferrari, treiben die pianistischen Begleitfiguren seltsame Blüten im Streichersatz. Den „Erlkönig“ von Schubert „sangen“ Winnie Hanel, Wolfram Thorau und Rebekka Wittig originellerweise ganz allein mit verteilten Rollen. Mit Ausflügen ins leichtere Repertoire klang der Abend heiter aus. Melodienselig schwelgte Astor Piazzollas berühmtes "Oblivion" durch den Kirchenraum. Mehr rythmischen Schwung brachte das Ensemble mit einem Medley aus Leonard Bernsteins „West Side Story“ ins Spiel. Besonders charmant: der Gershwin-Song „By Strauss“. Eine augenzwinkernde Wiener-Walzer-Persiflage mit amerikanischem Biss. Sonja Lenz

Sonja Lenz

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