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Kultur: „Der müde Tod“

Filmlivekonzert im Nikolaisaal mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg

Filmlivekonzert im Nikolaisaal mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg Dass Fritz Lang zu den frühesten Meisterregisseuren der Leinwand zählt, wurde beim Filmlivekonzert im Potsdamer Nikolaisaal einmal mehr deutlich. Sein Stummfilm „Der müde Tod“ von 1921 birgt zahlreiche cineastische Delikatessen, die bis heute Generationen von Filmemachern fasziniert haben. Für Jean-Luc Godard, den Cheffilmer der Nouvelle Vague, war Fritz Lang so etwas wie die Personifikation des Kinos schlechthin. Luis Buñuel, der Vorreiter des surrealistischen Films, bekannte, dass speziell „Der müde Tod“ ihm den Weg als Filmemacher gewiesen habe. Für heutige Zuschauer ist es erstaunlich zu sehen, dass „Der müde Tod“ bereits eine Bandbreite von kinematographischen Genres, Topoi und Erzählformen enthält, die später zum Standardrepertoire des Films gehören sollten. Da gibt es die melodramatische Liebesgeschichte, hier in der Variation des jungen Mädchens, das nach seinem verstorbenen Geliebten sucht. Auch der Starkult existierte schon. Für die Hauptdarstellerin Lil Dagover war der „Müde Tod“ nach dem erfolgreichen „Dr. Caligari“ der zweite Film, der ihre sechzigjährige Film-und Bühnenlaufbahn begründete. Im „Müden Tod“ erhielt die nachmalige „Grande Dame des deutschen Films“ viele Gelegenheiten, in unterschiedlichsten Kostümierungen - biedermeierlich, orientalisch, venezianisch und chinesisch - zu glänzen. Ganz ohne Digitalisierung und Animation erfand Fritz Lang verblüffende Kameraeffekte, wie sie seitdem zum Standard in jedem besseren fantastischen Film gehören. Langs fliegender Teppich mit daraufsitzenden Menschen, die lebendige chinesische Miniaturarmee oder die Verwandlung von Menschen in einen Kaktus, eine Statue, einen Tiger und von einem lebendigen Säugling in eine Kerze begeisterten Publikum und Fachwelt. Dass Verfolgungsjagden und Zweikämpfe zu den Urelementen des Films zählen, wird ebenfalls im „Müden Tod“ ersichtlich. Auch filmische Grundstoffe wie Komik, Satire und Groteske kultivierte Fritz Lang sehr bildhaft. Die Großaufnahmen der ehrenwerten Dorfhonoratioren mit sprechenden Zwischentiteln wie „Seine Wichtigkeit, der Bürgermeister“ und wie sich die chinesischen Wächter in dicke Schweine verwandelten, haben kabarettischen Reiz. Am herausragendsten gelang Fritz Lang die subtile Verbindung von realen und visionären Welten. Die monumentale, die Leinwand sprengende Mauer des Todes, die ins nebelhafte Unendliche führende Treppe und das offen-weite Feld, auf dem sich die Liebenden - im Tod vereint - ergehen, besitzen tiefenwirksame, malerische Bildqualitäten. Sie erweiterten die Ausdrucksmöglichkeiten des Films weit über die Abbildung der bloßen Realität hinaus. Fritz Lang erwies sich nicht nur als Vorläufer des surrealistischen Films, sondern als überaus mythischer Filmerzähler. Für die uralte, neoplatonische Idee von der Liebe, die den Tod besiegt, indem sie über ihn hinausgeht, schuf der Meisterregisseur mit dem Monokel im „Müden Tod“ einzigartige, visionäre Filmbilder. Zu diesem Opus magnum der Filmgeschichte, das leider in einer recht schlechten Bildqualität gezeigt wurde (gab es keine andere?), lieferte das Deutsche Filmorchester Babelsberg einen grundsoliden, prägnanten Sound. Die Partitur des verdienstvollen Filmkomponisten Karl-Ernst Sasse illustrierte die Szenenfolgen eindringlich aber nicht aufdringlich, melodiös aber nicht melodramatisch, markant und dezent zugleich. Unter der Leitung des ehemaligen DEFA-Orchester-Chefs Manfred Rosenberg erreichte das Filmorchester Babelsberg höchste Präzision und Klangvielfalt. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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