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Kultur: Dem Klischee misstrauen

Filmmuseum zeigt 2005 Ausstellungen über Martin Hellberg, Konrad Wolf und andere Filmgrößen

Filmmuseum zeigt 2005 Ausstellungen über Martin Hellberg, Konrad Wolf und andere Filmgrößen Ununterbrochen läuft Martin Hellberg durch die Wohnung und repetiert seinen Goethe-Text. Selbst die Töchter können das Drehbuch schon auswendig. Immer tiefer dringt der 70-jährige Mime in das Leben des Geheimrats vor. Beim Einstudieren seiner Rolle für den DEFA-Film „Lotte in Weimar“ übernimmt er Gang und Haltung, ja sogar die sonore Stimme des Dichterfürsten. „Vater wurde langsam selbst zu Goethe“, erinnert sich heute Tochter Karin. Spitze Zungen behaupten, dass er auch außerhalb der Drehzeit den personifizierten Geheimrat gegeben haben soll. Aber um Martin Hellberg ranken sich viele Anekdoten, wie die Leiterin des Filmmuseums-Archivs, Elke Schieber, zu berichten weiß. Am 31. Januar wäre der Schauspieler und Regisseur 100 Jahre alt geworden. Anlass genug, ihn in den Ausstellungskalender 2005 des Filmmuseums zu integrieren, zumal Hellberg durch seine Arbeit zum Zeitzeugen geworden ist. Vor allem den großen Klassikern hatte sich der Dresdner verschrieben: Er inszenierte Lessing, Schiller, Shakespeare Zahlreiche Werkfotos und Poster, die derzeit im Archiv in der Pappelallee gesichtet werden, sollen ab Juni davon erzählen. „Aber wir wollen die Ausstellung auch mit persönlichen Dingen anreichern. Das Goethe-Kostüm samt Schuhe ist uns schon mal sicher. Es schlummern aber noch viele weitere Schätze im Nachlass.“ Und um diese zu sichten, fahren Potsdamer Filmhistoriker demnächst nach Bad Berka zum einstigen Wohnhaus Hellbergs, das heute von Tochter Karin bewohnt wird. „Hellberg war ein Aufheber“, so Elke Schieber, und wer seine dreibändigen Erinnerungen gelesen hat, der weiß, dass er auch eine Menge zu erzählen hat. Mit 24 Jahren debütierte der Sohn eines Predigers am Sächsischen Staatstheater. Nebenher arbeitete er in Agit-Prop-Gruppen und war Mitbegründer des Arbeitertheaters „Konkret“. In seiner Regie führte dieses Ensemble 1931 Friedrich Wolfs „Die Matrosen von Cattaro“ auf. Als KPD-Mitglied wird Hellberg 1933 aus dem Sächsischen Staatstheater entlassen, 1942 schließt man ihn aus der „Reichskulturkammer“ aus. Er erhält Berufsverbot. Nach dem Krieg führte Hellberg vor allem Regie und stürzte sich auf die Klassiker. Aber er griff auch aktuelle Themen auf. Sein Film „Das kleine und das große Glück“ über Alltagsprobleme in der DDR wurde heftig kritisiert, was den auch in seiner Eitelkeit gekränkten Hellberg bis hin zum Selbstmordversuch trieb. „Mit der Staatsobrigkeit hatte er ab den 70ern zunehmend Konflikte. Denn Hellberg sagte, was er dachte, er konnte ausrasten und toben, einen wahren Theaterdonner anzetteln“, so Elke Schieber. In seinen letzten Lebensjahren durfte Hellberg nicht mehr inszenieren. „Er wurde als Regisseur kalt gestellt und war darüber sehr verzweifelt. Ein Blick in die Stasi-Akten, die der Familie vorliegen, wird mehr Aufschluss darüber geben“, und sicher auch in die Ausstellung des Filmmuseums, die anschließend nach Bad Berka geht, einfließen. Zuvor erinnert das „Gedächtnis“ der Ufa- und DEFA-Zeit aber an ein oft vernachlässigtes Kapitel der Filmgeschichte: dem Szenenbild. „In den sehr gut angenommenen Foyerausstellungen wollen wir nach der jetzt gezeigten Ilse Werner Schau ab Februar den Ufa-Filmarchitekten Anton Weber vorstellen.“ Er gab u.a. „La Habanera“ und „ Stukas“ ihre räumliche Atmosphäre. Bei Käutners Film „Unter den Brücken“ bezog Weber die Glienicker Brücke mit ein und dokumentierte so auch ein Stück Potsdam. Erstellt wird diese Schau von dem Fotografen Hans-Jürgen Tast, der den Nachlass Webers auftat. Nach Potsdam tourt die Schau durch ganz Deutschland. Die Dokumentation dazu verbleibt indes im Potsdamer Museum. „Diese Ausstellung passt gut zur Berlinale, die sich in diesem Jahr der internationalen Filmarchitektur zuwendet. Dort werden auch DEFA-Filme wie ,Solo Sunny“ präsentiert“, so Elke Schieber. Dieser „unglaublich modern gedachte Film“ werde natürlich auch in Potsdam eine Rolle spielen: Zum 80. Geburtstag von Regisseur Konrad Wolf. Auch zu diesem Jubiläum im Oktober gibt es in Zusammenarbeit mit der Babelsberger Filmhochschule eine Foyerausstellung, dazu eine Retrospektive sowie ein Symposium. „Wir hoffen, dass die Studenten mitarbeiten und sich zu den Filmen verhalten, denn natürlich ist es spannend, was ,Sterne“, ,Goya“, oder ,Ich war 19“ beim heutigen Publikum auslösen. Filme gilt es, immer wieder neu zu entdecken. Ich misstraue da jedem Klischee.“ Wolf habe es immer wieder zu Gegenwartsstoffen gedrängt und er fühlte sich wie sein Vater Friedrich zerrissen zwischen politischen Pflichten und der Kunst. Aufgewachsen in russischer Emigration kehrte Konrad Wolf in eine Heimat zurück, die nicht die seine war. „Deutscher, Jude und Kommunist zu sein, war ein Spannungsfeld, das in seinen Filmen oft versteckt eine Rolle spielte. Da ist längst noch nicht alles offenbart“, so Elke Schieber. Sie sei auch gespannt auf ein erstes Buch über Konrad Wolf, das die Stiftung Deutsche Kinemathek herausgibt. Abgerundet wird das Foyer-Ausstellungsjahr mit Hildegard Knef. Diesmal lässt ein Verehrer und Sammler im Museum ihre roten Rosen regnen. Heidi Jäger

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