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Kultur: Das Gedicht reichte nicht Die Band Cyminology im Nikolaisaal

Wir hätten gern etwas mehr erfahren.Warum, zum Beispiel, ausgerechnet Hafis?

Wir hätten gern etwas mehr erfahren.Warum, zum Beispiel, ausgerechnet Hafis? Dass eine Sängerin sich für ihre Lieder für diesen persischen Dichter entscheidet, der irgendwann zwischen 1320 und 1390 gelebt hat, weckt bei uns Mitteleuropäern eine gewisse Neugier. Dass die Sängerin Cymin Samawatie heißt und ihre Eltern aus dem Iran stammen, mag nur ein Teil der Antwort sein. Und so vertrauten wir kürzlich im Foyer des Nikolaisaals ganz auf Lothar Jänichen.

Die Band Cyminology stand auf dem Programm in der Reihe „The voice in concert“, einem Konzertprojekt des Nikolaisaals und des Kulturradios des Rundfunks Berlin Brandenburg. Lothar Jänichen moderiert regelmäßig im Kulturradio die Sendung „The voice in concert“. Und regelmäßig steht er im Foyer auf der Bühne, um mit den Künstlern ein kurzes Gespräch zu führen. Wer ihn am Freitag nicht zum ersten Mal erlebte, der wusste, dass Jänichens Gesprächsführung etwas gewöhnungsbedürftig, wir können auch sagen, konfus ist. Und so verwickelte er Cymin Samawatie in ein knapp zehnminütiges Gespräch, fragte die 29-jährige Sängerin nach Biographischem, was jeder der Zuhörer schon längst auf dem kostenlos verteilten Programmzettel hatte nachlesen können. Dann kam Jänichen doch noch zu dem Dichter Hafis. Doch bevor Cymin Samawatie antworten konnte, war Jänichen schon bei der nächsten Frage. Egal, schließlich waren wir ja wegen der Musik hier.

Cymin Samawatie wurde in Braunschweig geboren und erlebte die iranische Heimat ihrer Eltern nur in den Ferien. Irgendwann wird sie hier den Dichter Hafis entdeckt haben. Der hieß eigentlich Khwajeh Shams al-Din Muhammad Hafez-e Schirazi und hinterließ eine Lyriksammlung mit dem Titel „Diwan“, die auf Goethe nicht ohne Einfluss geblieben sein soll. Während ihres Jazzgesangsstudiums in Berlin entstand die Idee, Hafis“ Lyrik mit dem Jazz zu verbinden. Im vergangenen Jahr erschien das überschwenglich gelobte Debüt „Per se“.

Die Sängerin hat drei hervorragende Musiker für ihr Projekt finden können. Der Pianist Benedikt Jahnel, wahrlich zartbesaitet, was in diesem Zusammenhang als uneingeschränktes Kompliment verstanden werden muss. Feingesponnen das, was er aus dem mächtigen Resonanzkörper des Steinway holte. Zurückhaltend, puristisch, unaufdringlich Akzente setzend. Der Bassist Ralf Schwarz, der seinen Viersaiter klingen ließ wie die arabische Laute Oud, und der Schlagzeuger Ketan Bhatti, unumstritten ungekrönter König des Abends. Bhatti ist der reinste Hexer mit dem Trommelstock. Dem Burschen könnte man ein paar ungewaschener Socken hinlegen und er würde selbst darauf ein abendfüllendes Programm abliefern.

Gemeinsam schufen sie fein gewebte Lieder, gelassene, sich nicht um die Zeit scherende Dialoge zwischen Piano – das sich gelegentlich regelrecht in einen Akkord verhakte – Schlagzeug und Bass.

Cymin Samawatie ließ sich von dieser musikalischen Unaufgeregtheit tragen, sang die meist vier- bis sechszeiligen Gedichte von Hafis, die sie kurz zuvor ins Deutsche übersetzt hatte, mit getragener Gelassenheit. Die persischen Wurzeln deutete sie nur leicht an, ließ sich Raum für die eigene Interpretation. Darin lag ein besonderer Reiz. Doch Cymin Samawatie scheint darauf nicht zu vertrauen.

Anstatt der Musik Raum zu lassen – Jahnel, Schwarz und Bhatti verstanden es ausgezeichnet, instrumentale Geschichten zu erzählen – füllte sie die scheinbaren Leerstellen mit langgezogenen „Uhhhs“ und „Ahhhs“. Bei ein oder zwei Liedern hatte das seine Berechtigung. Doch diese oftmals simpelsten Melodiebögen, die einen stark an Einsingübungen erinnerten, zerrten irgendwann doch am Nervenkostüm. Hier hätten wir uns gern etwas mehr Zurückhaltung gewünscht. Dirk Becker

Dirk Becker

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