zum Hauptinhalt

Kultur: „Beeilt euch ...“

Benefizkonzert für das Altenheim am Meer in der Friedenskirche

Benefizkonzert für das Altenheim am Meer in der Friedenskirche Katja Romanenko wurde am 12. Februar 1943 in das KZ Ravensbrück eingeliefert. Es war ihr 22. Geburtstag. Wie ihr weiteres Leben verlief, erfuhr man am Donnerstag bei dem offiziellen Benefizkonzert zugunsten des noch im Bau befindlichen Altenheimes für Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge am Ufer des Schwarzen Meeres nicht. Aber der „Fürstenberger Förderverein Gedenkstätte Ravensbrück“ hält zu ihr Kontakt, wie überhaupt zum Simferopol-Invaliden-Verein, worin sich 200 Überlebende des deutschen Terrors organisiert haben, meist schwer behindert und in wenig erfreulichen Umständen lebend. 17000 gibt es noch allein auf der Krim. Die Havelstadt und die um Vereinsvorsitzende Edda Tunn gescharten Mitglieder fühlen sich den Ukrainern gegenüber in Pflicht und Schuldigkeit, sind ihnen doch 56 ehemaligen „Ravensbrückerinnen“ namentlich bekannt. Katja Romanenko ist eine davon. Wie man zuvor schon in Bielefeld, Neubrandenburg und Bethel per Benefiz Gelder für das „Haus am Meer“ in Solnetschnogorskoje sammeln konnte, so wollte man, anlässlich des von Roman Herzog ausgerufenen Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus, auch in der Friedenskirche Zeichen der Versöhnung setzen. Ganz offiziell, denn gutgezählte Zwangsarbeiter mussten auch in Potsdam für „Volk und Vaterland“ malochen. So waren die ersten fünf Stuhlreihen rechts und links für geladene Gäste aus Stadt und Land reserviert. Herbert Knoblich übernahm die Schirmherrschaft der Veranstaltung, OB Jann Jakobs trug seine Gedanken zum Anlass vor, Pfarrrer Markus Schütte, verantwortlich für die „Stadtkirchenarbeit“, sprach in seinen behutsamen Einführungsworten davon, dass „Erinnerung“ vor allem Namen und Gesichter brauche. Freilich ist auf dem Fürstenberger Projekt-Flyer „Altenheim am Meer“ auch eine Frau ohne Namen und schwächsten Eingedenkens abgebildet. Sie erhielt, als Zwangsarbeiterin in der Landwirtschaft eingestuft, den niedrigsten Entschädigungssatz aus Deutschland, obwohl die Demenzkranke immer wieder von „gestreifter Kleidung“ und „Frauen mit Hunden“ spricht. Ein doppelt hartes Schicksal. Viele der wie immer auch Entschädigten spendeten ihr Geld, um das Projekt überhaupt auf den Weg zu bringen, denn Land musste gekauft, Bau-Unterlagen erstellt werden, usw. Teile der Anlage sind inzwischen fertig. Mindestens 189000 Euro werden noch gebraucht, bis das Haus fertiggebaut werden kann, 15000 in jedem Monat. Niemand gibt dem Verein das Geld, man muss bitten gehen. Wo viele Gutes tun wollen, verteilt sich das Publikum etwas. So gab der Potsdamer Vocalkreis in der nicht ganz vollen Kirche mit einem hörenswerten Konzert seinen Beitrag zum weiteren Bau dieses Hauses am Meer. Das Repertoire, weitgreifend zwischen drei Volkslieder von Brahms und eine etwas unübersichtliche Komposition von Bernhard Opitz gestellt, zwischen Johann Christoph Bach, Gisbert Näther und Gesualdo di Venosa, war ganz dem Zeichen von Versöhnung und Frieden verpflichtet. Man gab sein Bestes, doch wollten einem die „alten“ Harmonien in den Motetten eines Schütz oder Mendelssohn Bartholdy noch immer leichter ins Ohr als moderne Sprechgesänge im sanftesten Staccato. Auch ein Kreis hat seine Grenzen. Der Toten gedenken, den Lebenden helfen, bevor es zu spät ist? Es ist merkwürdig, warum erst viele Jahrzehnte nach Kriegsende ein solcher Gedenktag für die Opfer des NS-Staates ausgerufen wurde, Geld für die Betreuung längst hinfällig gewordener Veteranen gesammelt werden muss, nicht etwa offiziell, sondern durch private Initiative. Potsdam hängt sich nun an Fürstenberg an. Die Stadt hätte längst von selbst die Initiative ergreifen können, wenn ihr bei 17345 „eigenen“ Zwangsarbeitern schon früher so benefizisch zumute gewesen wäre. Auch so kann man „Versöhnung“ sehen, etwas einseitiger. Für Katja Romanenko, seit drei Jahren an den Rollstuhl gefesselt, wäre es ja die größte Freude, wenn sie das fertige Altenheim noch erleben darf. Wie sagte der alte von Bodelschwingh aus Bethel: „Beeilt Euch mit dem Spenden, sie sterben sonst davon!“. Gerold Paul

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false