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Kultur: „Bedeutende Leute“ – Unbedeutend HOT-Premiere von Guntram Brattias Inszenierung

Der Worte waren im Vorfeld genug gewechselt, nun wollte man auch Theater sehen. Am Freitag hatte das großartige Stück „Bedeutende Leute“ von Terry Johnson im T-Werk Schiffbauergasse als Aufführung des Hans Otto Theaters seine Premiere.

Der Worte waren im Vorfeld genug gewechselt, nun wollte man auch Theater sehen. Am Freitag hatte das großartige Stück „Bedeutende Leute“ von Terry Johnson im T-Werk Schiffbauergasse als Aufführung des Hans Otto Theaters seine Premiere. Es hätte nicht bessere Schauspieler verdient, wohl aber einen Regisseur, der besser zu denken oder zu empfinden verstünde als Guntram Brattia, selbst ein Schauspieler. Der 1955 geborene Autor lässt in einem US-Motel sehr extreme Figuren aufeinander treffen, Senator McCarthy, welcher von Einstein eine klare und verwertbare Stellungnahme gegen den Kommunismus abpressen will, die Monroe als Noch-Gattin des Baseball-Idols Dimaggio, der 70-jährige Einstein selbst am Vorabend seiner Anhörung vor dem Kongress zur Untersuchung unamerikanischen Verhaltens. Als Nebenfiguren führt er den Tscherokesen Murray Small Legs und ein im Motel benachbartes Paar (Andreas Werthschützky, Franziska Schmidt) ein, letztere ohne alle Bedeutung. Der Indianer schon, denn am mehr als dürftigen Anfang und dem allein glaubhaften Schluss dieser verzappelten Inszenierung ist er das natürliche Korrelativ für die wissenschaftliche Kapazität Einsteins: Jeder seines Stammes weiß, dass er im Zentrum des Universums steht, doch selbst der alternde Einstein ist von dieser inneren Gewissheit noch ziemliche Jahre entfernt. Vorderhand konstruiert Johnson eine intelligente Beziehung zwischen dem nicht dummen Filmstar und ihrem „Himmel“, dem deutschen Physikus. Leider ist diese Inszenierung nicht so angelegt, dass ein erfahrener Darsteller wie Hans-Jochen Röhrig Einsteinmäßig daraus schöpfte. Man sieht ihn eher als leicht trottelnde Figur fast ohne Subtext und spielerische Aufgabe. Jene Szene, wo die Monroe ihm die spezielle Relativitäts-Theorie erklärt, entbehrt zwar nicht des HOT-Neulings (Anne Lebinsky) überschüssiger Energie, dafür jedes inneren Vorganges. Wo sie (recht oft) laut wird, ist es ein nur pressiertes Kreischen, agieren muss sie meist zu ebener Erde. Schade, sie kann leise besser wirken. Gleiches gilt für den Baseball-Typen (Tobias Rott), zuerst hart wie altes Brot, dann weich wie eine Birne im Herbst. Nur, was wollten die bedeutenden Figuren über die 100 Minuten von der Bühne, was sollte der impossible Kriegstanz des Indianers? Nichts Bestimmtes offenbar in einer Inszenierung, welche zuerst die schrille Komödie im Boulevard-Stil versucht, um fast in einer Existenz-Tragödie zu enden – Shakespeare konnte so etwas. „Insignificance“, bedeutungslos also, ist aber der Titel im Original. Ungünstig auch die Bühne von Matthias Schaller, ein hinten und vorn verglastes Appartement mit Schiebetüren und Bett, darauf die Monroe den Einstein vergeblich verführt; ungünstig für die Akustik wie für die Seitenplätze des vollenSaales. Aber vielleicht war das Marginale nicht so wichtig, etwa Bach“s Cello-Musik, die man nicht nach Art einer Geige streichen sollte. Hauptmangel: Szenische Verlegenheitslösungen anstelle schauspielerischer Handlungen, was einen „alten Hasen“ wie Roland Kuchenbuch (McCarthy) völlig neutralisierte. Auch Röhrig (sprach wichtige Sätze auf der Hinterbühne!) wusste mit den dürftigen Ideen seines Regisseurs wenig anzufangen, weder im video-überwachten Bad, noch über weite Teile der unentwirrten Handlung. Was ihm szenisch geschah, führte zu Null Zuwachs an seiner Figur. Man fragt sich, wozu es 90 recht nutzloser Minuten bedurfte, um die letzten zehn oder fünfzehn auf jene Substanz zu bringen, welche der Autor bereits zu Anfang sinn- und existenzstiftend vorbereitete. Sind motivierte Auf- und Abgänge heute out? Schade. Dem Lieblingsstück des neuen Intendanten ward nichts Gutes getan, es ermangelte seiner Umsetzung schlicht an Handwerk, damit daraus wird, was Worte vorab verkündeten. Zum Premierenapplaus erschien der Regisseur, kaugummikauend. Genauso war sein Werk. Gerold Paul

Gerold Paul

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