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Kultur: Auch die Preußen konnten mehr als exerzieren

„Preußische Liebesbriefe“ im Goetz-Verlag ediert

„Preußische Liebesbriefe“ im Goetz-Verlag ediert Eigentlich sollte das rosa Schleifchen verschnürt bleiben. Schließlich sind Liebesbriefe Herzenssache und nur für die in Feuer Entflammten bestimmt. Doch die Menschen sind von Natur aus neugierig: und „Das Lesen von Liebesbriefen, mit allem Respekt betrieben, ist eine interessante Beschäftigung", bekennen auch Helma und Alois Weimer, die jüngst im Ch. Goetz Verlag „Preußische Liebesbriefe" veröffentlichten. Fürwahr: Es ist ein kurzweiliges Vergnügen, mitten in das Leben anderer und noch dazu bekannter Persönlichkeiten zu treten, die sich in ihren Liebesbriefen von der menschlichsten Seite zeigen. Ja, auch die Preußen konnten mehr als exerzieren, und sich in Pflicht und Ordnung fügen. Auch hier bescherte die Liebe den Menschen Lust und Freude, „auch wenn der Ausgleich zwischen Herz und Verstand, Leidenschaft und Etikette, Rausch und Nüchternheit oft schmerzhafter als in anderen Ländern erkämpft werden musste", wie im Vorwort zu lesen ist. Und nicht selten begleiten Liebesverrat, Trennung und Tod das Gefühl der Glückseligen. Mit nicht enden wollenden Kosenamen überhäufte Heinrich von Kleist seine Henriette: „Mein Jettchen, mein Herzchen, mein Liebes, mein Täubchen, mein Leben, mein liebes, süßes Leben, mein Lebenslicht" im November 1811. Wenige Tage später war sein Lebenslicht erloschen: erschossen erst die Freundin, dann sich selbst. Voller Verzweiflung, ohne Geld, ohne Freunde, politisch enttäuscht, griff der Dichter zur Pistole – und wusste seine zart und zerbrechliche Liebste in diesem Entschluss an seiner Seite. Zum besseren Verständnis der Lebenssituationen sind den Briefen Einordnungen angefügt, die ein kurzes Innehalten und Reflektieren in dem ansonsten ziemlich straffen Ritt durch die Liebeswelten ermöglichen. Das Büchlein offenbart zumeist nur einen Brief der Paare – flugs geht es zum nächsten Bekenntnis weiter. Da ist ein Päuschen beim Lesen nur förderlich, um sich auf eine neue Leidenschaft einzulassen, wie etwa der von Käthe Kollwitz, die ihren Mann zur Silberhochzeit mit innig-warmen Worten beschenkte: „Langsam ist unser Ehebaum gewachsen, nicht so gerade und ohne Hindernisse wie viele andere. Aber er ist nicht eingegangen. Aus dem schwanken Reis ist doch der Baum geworden, der im Herzen gesund ist. Zwei schöne, wunderschöne Früchte trug er Wir halten uns fest an den Händen, bis ans Ende und bleiben Herz am Herzen", schrieb die Malerin und Bildhauerin, die den Tod ihres auf dem Schlachtfeld gefallenen Sohnes nur schwer verkraftete und um so mehr des Zuspruchs ihres Mannes bedurfte. Eine ganz andere Liebe „besingt" Rosa Luxemburg in einem Brief an ihren Freund Hans Diefenbach: Es ist ein Hohelied auf die Natur, auf den „Gartenspötter“, dem eigenartigen Kauz. „Er singt nicht etwa ein Lied, eine Melodie, wie andere Vögel, sondern er ist ein Volksredner von Gottes Gnaden, er hält Ansprachen an den Garten, und das mit ganz lauter Stimme, voller dramatischer Aufregung, sprunghafter Übergänge, pathetischer Steigerungen " Die sozialistische Politikerin zeigt sich als tief fühlende Poetin, die ihren Gefühlen freien Lauf lässt, hingerissen ist von dem stillen, blauen Ozean des Himmels, der mit Lindenblütenduft geschwängerten Luft. „Nur eines quält mich: daß ich allein soviel Schönheit genießen soll." Dann wieder versucht Fontane seine Frau aufzubauen, die sich vernachlässigt fühlt, amüsiert sich Otto von Bismarck, dass sein Braut ihn, den geborenen Verschwender für geizig hält und ihm gar „Porto-Scrupel" unterstellt. So wie im Leben schwanken auch in den Briefen die Stimmungen: gibt es Unterhaltsames, Traurig-Anrührendes, Poetisches, Naives, Verwegenes. Vor allem aber spricht immer wieder Sehnsucht aus den Zeilen: nach Nähe und Geborgenheit, Verständnis und einem ungetrübten Glück. Doch oft stehen äußere Zwänge davor, wie einige der Buchkapitel herausstreichen: „Liebe und Staatsräson", „Liebe und Krieg", „Liebe und Tod". Angereichert ist diese Anthologie der schönsten preußischen Liebesbriefe, die sechs Jahrhunderte umfasst, durch die feinsinnigen Illustrationen des Kleinmachnower Malers und Grafikers Rainer Ehrt. Seine Frauenbildnisse – wie von Bettine Brentano (von Arnim), Käthe Kollwitz oder Rosa Luxemburg schlagen weiche, fast zärtliche Töne an. Bei den Herren der Schöpfung dominiert hingegen oft ein etwas steifes, resolutes Auftreten. Einigen fügte er indes auch weibliche Attribute bei, wie E.T.A. Hoffmann die sich einkuschelnde Katze, dem Frauenfreund Pückler-Muskau die Blume am Revers. Denn Hand aufs Herz oder um mit Pückler zu sprechen: „Liebe nur fühlt einen Ausweg aus diesem Labyrinth, wo jede andre Kraft des Geistes sich vernichtet sieht." Es lebe also die Liebe – und mit Verlaub: Schön, dass das rosa Bändchen gelöst wurde. Hedi Jäger „Preußische Liebesbrief, Ch. Geotz Verlag, 12,90 €.

Hedi Jäger

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