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Gerd Ruge im Thalia: Arbeitsalltag

Als Reporter war er mehr als 50 Jahre lang überall dort, wo es gerade spannend war. Am Sonntag stellte Gerd Ruge sein Buch „Unterwegs“ im Thalia vor.

Er war einer der bekanntesten deutschen Rundfunk- und Fernsehjournalisten und gilt als Pionier der Auslandsreportage. Mehr als fünf Jahrzehnte hat Gerd Ruge aus verschiedenen Teilen der Welt berichtet. Er war Reporter in den USA, als Martin Luther King und Robert F. Kennedy ermordet wurden und erlebte die Rassenunruhen mit. Er berichtete aus China, als Mao starb und als Jahre später in Peking Tausende Menschen auf dem Tian’anmen-Platz protestierten. Auch die Zeit der Perestroika und den Putschversuch gegen Gorbatschow in der Sowjetunion begleitete er als Reporter.

In seinem Buch „Unterwegs. Politische Erinnerungen“ (Hanser Berlin, 21,90 Euro), das er am Sonntag in Potsdam vorstellen wird, blickt Gerd Ruge noch einmal zurück auf die prägenden Stationen und Begegnungen seines ereignisreichen Journalistenlebens. Nicht von ungefähr hat Ruge sein Buch als politische Erinnerungen untertitelt. Denn abgesehen vom Eingangskapitel, worin der 1928 in Hamburg geborene Sohn eines Arztes über seine Jugend im Dritten Reich erzählt und auch auf seine Familie eingeht, verzichtet er weitestgehend auf Persönliches. Statt im Anekdotischen zu schwelgen, beschreibt Ruge stets nüchtern und prägnant vor allem seinen Arbeitsalltag als Korrespondent und reflektiert seine journalistischen Erfahrungen. Erfahrungen, die bis zu seiner Ausbildungszeit 1948 beim Nordwestdeutschen Rundfunk zurückreichen.

Der Arbeit am Schreibtisch bald überdrüssig, wollte Ruge schon damals von Schauplätzen außerhalb Deutschlands berichten. Bis heute ist deshalb seine Maxime, wonach Neugier und gesunde Beine das Wichtigste für einen Journalisten seien, für ihn gültig geblieben. Daneben, so räumt Ruge mehrmals ein, habe er aber auch öfters das nötige Quäntchen Glück gehabt. So erhielt er nur dank der Hilfe einer zufälligen Partybekanntschaft, die sich als Tochter des amerikanischen Botschafters herausstellte, 1950 ein Visum für Jugoslawien und konnte, mit knapp 22 Jahren, als erster deutscher Journalist direkt vor Ort über den antirussischen Kurs des jugoslawischen Staatschefs Tito berichten. Es folgten Reisen nach Indochina und Korea. 1955 begleitete Ruge als Reporter Konrad Adenauer zu Verhandlungen über die Freilassung deutscher Kriegsgefangener in die Sowjetunion, wo er im Jahr darauf bis 1959 als erster westdeutscher Auslandskorrespondent akkreditiert wurde.

Von 1964 bis 1969 war Ruge dann Korrespondent in den USA, berichtete ab 1973 fünf Jahre lang aus China und kehrte nach diversen Stationen beim deutschen Fernsehen 1987 nach Moskau zurück, wo er bis zu seiner Pensionierung 1993 das ARD-Studio leitete. Seither dreht er als freier Journalist Reisereportagen, zieht es ihn noch immer oft hinaus. In seinem Buch rekapituliert der heute 87-jährige Gerd Ruge nicht nur sein erfülltes Berufsleben. Es sind die Begegnungen mit Politikern und Künstlern wie etwa Willy Brandt, Boris Pasternak oder Joan Baez und vor allem die Gespräche mit den vielen einfachen Menschen in den Städten und Dörfern, diese von den politischen Entwicklungen betroffenen Einzelschicksale, die Ruge immer wieder schildert und die im Mittelpunkt seiner Erinnerungen stehen.

Daniel Flügel

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