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Kultur: Akkordische Attacken

Orgelsommer-Auftakt in der Erlöserkirche

Orgelsommer-Auftakt in der Erlöserkirche „Die vortrefflichsten Organisten“, lässt Biagio Rosetti anno 1529 seine Leser wissen, „sie können einen polyphonen Satz vortrefflich und klar wiedergeben, so dass man die einzelnen Teile davon deutlich vernehmen kann“. Davon können sich Potsdams Orgelenthusiasten an noch elf verbleibenden Abenden, jeweils mittwochs, ein Hör-Bild machen. Will heißen: der Internationale Orgelsommer Potsdam, zum mittlerweile 15. Mal veranstaltet, hat begonnen. Zu den vortrefflichsten Organisten, die die Orgelbank drücken, gehört zum Saisonauftakt Wolfgang Seifen. Seit fünf Jahren ist er Professor für Improvisation und liturgisches Orgelspiel an der Universität der Künste in Berlin. „Die erfindungsreichen Improvisatoren“, so Rosetti, sie verstehen es, die einzelnen Teile der Messe improvisierend durch ihre musikalischen Fähigkeiten künstlerisch eindrucksvoll zu gestalten". Der 1956 geborene Wolfgang Seifen entspricht diesen Forderungen voll und ganz, besonders in seinem „Tryptique Symphonique“, einer Improvisation in drei Sätzen. Anfängliches Pedalgrummeln steigert sich in Dynamik und Dramatik, wofür fast unmerklich hinzutretende Stimmen sorgen, die aufgeregter und klangheller werden. Die Entwicklung gleicht einem Orchestercrescendo. Ein „Danse macabre“ erinnert durch seine grotesken Züge an eine Mussorgskysche „Nacht auf dem Kahlen Berge“, lädt zu einem Besuch in der „Hütte der Baba Yaga“ ein. Das skurrile Tongemälde ist originell registriert (Vox humana, Trompete), prononciert artikuliert und witzig gespielt. Motorisch spult sich das „Final“ ab, wobei das 2-füßige Feldpfeifenregister gleich einem Piccolo für Marschfröhlichkeit sorgt. Zwischendurch gibt es immer wieder romantische, tremulantengesättigte Gefühlsergüssen zu erleben. Akkordische Attacken steigern Seifens Eigenproduktion ins Hymnische. Doch auch als Nur-Organist liebt Wolfgang Seifen orchestrale Klangfarben, geradezu sinfonische Wirkungen mit effektvollen Steigerungen. Für drei Stücke von Aloys Claussmann (1850-1926), Schüler von Cesar Franck, erwählt er sich fast ausschließlich Zungenstimmen - wohl um zu zeigen, dass die Schuke-Königin auch über jene französischen Manieren verfügt, wie sie die Woehl-Schwester auszeichnet. Romantische Klangwelten brechen in der „Fantaisie heroique“ op.67 Nr. 3 auf, wobei sich Schwellwerkeffekte in hymnisches Principalstrahlen steigert. Schnarrende und gequetscht klingende Register eröffnen das „Nocturne“ op. 67 Nr. 2, um endlich mit lieblichem Gesang in ätherische Bereiche zu entschweben. Im organo pleno erklingt die „Toccata“ op. 64 Nr. 3, nach Widorschen Vorbild in Boellmannscher Machart wirkungsvoll vorgetragen. Nicht weniger einprägsam lässt der Organist das kurzgliedrige „Magnificat“ von Jean Francois Dandrieu (1682-1738) erklingen. Französische Registerfarben kommen auch hier zu bevorzugtem Einsatz. Die Satzüberschriften werden akribisch verfolgt: bei „Plein jeu" (gleich: volles Spiel) wird selbiges vorgeführt, bei „Basse de trompette“ das entsprechende 8-Fuß-Register gezogen. Ein beeindruckender, begeistert akklamierter Orgelsommerauftakt.Peter Buske Nächstes Konzert: 6. Juli, 19.30 Uhr, Friedenskirche. Sanssouci. An der Woehl-Orgel: David Schollmeyer.

Peter Buske

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