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Landeshauptstadt: Zwischen Angst und Hoffnung

Nach einem frustrierenden Jahr mit Hartz IV hoffen Empfänger und Behörden 2006 auf Besserung

Die Angst um die Existenz war es, die der 51-jährigen Helen B.* immer wieder im Nacken saß. Bis August des letzten Jahres lebte die gelernte Naturwissenschaftlerin vom Arbeitslosengeld II und den Hartz-IV-Reformen. Zwei Ein-Euro-Jobs in acht Monaten, dazwischen schrieb die Potsdamerin immer wieder erfolglos Bewerbungen. „Ich bin in dieser Zeit um zehn Jahre gealtert“, sagt die Frau.

Gerade in den Phasen ohne Ein-Euro- Job fehlte ihr Geld für fast alles: Frisör, neue Schuhe, neue Kleidung oder Kino waren nicht drin. „Ich habe mich die ganze Zeit gefragt: Wie soll ich mit meinem wenigen Geld hinkommen? Wie soll ich die Rechnungen bezahlen?“ Ohne die Unterstützung der Potsdamer Tafel und ihrer Familie wäre alles noch schlimmer gewesen, blickt sie zurück. Seit August hat sie nun eine von der Arbeitsagentur vermittelte ABM-Stelle – befristet. Ansonsten hat sie von der Arbeitsagentur keine Unterstützung erhalten. Kein Schulungs- oder Job-Angebot. Nichts. Dabei wollte die Bundesregierung mit der zum Januar 2005 gestarteten Hartz-IV-Reform und der damit verbundenen Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II (ALG II) „fördern und fordern“.

Doch wie fast überall in Deutschland kam auch für die rund 135 000 Brandenburger langzeitarbeitslosen Hilfsbedürftigen im Sinne des Hartz IV-Gesetzes im Jahr 2005 zunächst das „Fördern“ zu kurz. Denn erst im Sommer 2004 war klar, wer für das künftige ALG II zuständig sein sollte: Einige Kommunen durften in Eigenregie handeln, beim Rest bildeten Bundesagentur für Arbeit (BA) und Sozialämter vor Ort Arbeitsgemeinschaften. Denen blieb nur ein halbes Jahr für den Systemwechsel. Zudem machte die neue Software für die Bearbeitung der Anträge Probleme, erklärt die Leiterin der Potsdamer Arbeitsagentur, Edelgard Woythe.

Vor allem war die Bundesregierung vor dem Start der Reform von weniger Hartz-IV-Empfängern ausgegangen. Bei der Arbeitsagentur Potsdam wurde zunächst mit 38 000 langzeitarbeitslosen Hilfsbedürftigen und 31 000 Bedarfsgemeinschaften gerechnet. Im November gab es aber 55 000 Hilfsbedürftige und 41 500 Bedarfsgemeinschaften. „Wir mussten mehr Sachbearbeiter einstellen und diese noch schulen“, sagt Woythe. Es sei dadurch zu Verzögerungen bei der Bearbeitung der Anträge gekommen. Auch bei den insgesamt 13 Arbeitsgemeinschaften von Kommunen und Arbeitsagenturen in der Mark hofft man auf Besserung. Laut dem Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes in Brandenburg, Karl-Ludwig Böttcher, sollen dann auch die Geschäftsführer der Arbeitsagenturen mehr Kompetenzen erhalten. Bisher habe es öfter Schwierigkeiten bei der Zuweisung der Verantwortung gegeben, weil Agentur und Kommune bei den Arbeitsgemeinschaften gleichberechtigt seien.

In diesem Jahr wollen sich die Behörden dann noch stärker um das „Fördern“ und damit die Vermittlung von Jobs für die Langzeitarbeitslosen kümmern. „Das Hauptproblem bleibt aber: In Brandenburg fehlen Jobs, die wir nicht schaffen können“, sagt Böttcher. Die 51-jährige Potsdamerin gibt dennoch nicht auf: „Ich will unbedingt arbeiten“, sagt sie.

*Name geändert

Alexander Gruber/ddp

Alexander Gruber, ddp

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