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Landeshauptstadt: Zu weit weg von der Stadt

Gewerbetreibende im Bornstedter Feld setzen auf Touristen und Studenten

Gewerbetreibende im Bornstedter Feld setzen auf Touristen und Studenten Bornstedter Feld – „Schön, dass es jetzt endlich auch im Bornstedter Feld frische Brötchen gibt.“ Wie oft Doris Flöter und Christina Schirmag diese Worte am Eröffnungstag ihres kleinen Bäckerladens in der Georg-Hermann-Allee hörten, haben sie bald nicht mehr gezählt. Der Start in die Selbständigkeit war für die beiden Frauen am 1. Advent noch vielversprechend, die Bauplanungen im Bornstedter Feld klangen auch so. Deshalb kalkulierten sie gleich ein Bistroangebot für die Bauarbeiter in ihr Verkaufskonzept ein. Da ahnten sie noch nicht, dass gerade dieses Imbissangebot sie am Leben halten wird. „Es fehlt Geld bei den Leuten, Kuchen wird ganz wenig gekauft“, sagt Doris Flöter heute resigniert. Sie hatte mit mehr Kundschaft gerechnet. „Ohne das Bistro können wir nicht überleben.“ Ärgerlich ist sie, weil bei Abschluss des Mietvertrages mit der Gewoba kein Wort darüber fiel, dass ein paar Häuser weiter eine Kneipe mit ähnlichem Konzept für Mittagsangebote öffnen würde. Zum Glück konnten sich Doris Flöter und Christina Schirmag mit dem Wirt schnell und unkompliziert einigen. Lutz Krause, der am 11. Januar die kleine Kiezkneipe eröffnet hat, strahlt mehr Optimismus aus. Der 31jährige Betriebswirt ist stolz darauf, endlich am Abend eine Alternative zum Fernsehfilm der Woche geschaffen zu haben. Er wohnt gleich um die Ecke und seine Nachbarn kommen schon mal auf ein Bierchen vorbei. Geöffnet ist täglich ab 12.30 Uhr, ab Frühjahr zwei Stunden eher. Restaurantbetrieb ist in einem Wohnhaus zwar nicht möglich, trotzdem bietet er leckere Kleinigkeiten an und Mittags preiswerte Angebote, die wechseln. Bäcker und Kneipe gehören zu den neuen Mietern im Bereich Georg-Hermann-Allee 9 bis 11 und 21 bis 31. Von den Potsdamern im Bornstedter Feld wurden sie seit langem sehnsüchtig erwartet. „Hier sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht,“ heißt es immer noch bei vielen. Die schöne Natur am Volkspark wissen die meisten zu schätzen, aber ansonsten ist das Gefühl in der Stadt zu leben, wenig ausgeprägt. Deshalb hat die Gewoba in der Georg-Hermann-Allee von Anfang an mit viel Engagement daran gearbeitet, Nahversorgung und Dienstleistung im neu entstandenen Wohngebiet zu verbessern. Eine Drogerie-Filiale machte den Anfang, es folgten unter anderem Zahnarzt, Versicherer, Rechtsanwältin, Hausvertrieb und Ingenieurbüro. „Ein guter Branchenmix“, sagt Claudia Dinse, Pressesprecherin der Gewoba. Sie ist zufrieden. Der letzte Leerstand soll demnächst beseitigt sein, die Verhandlungen seien kurz vor dem Abschluss. Bereits Ansässige sehen das allerdings anders. Es habe durchaus schon einige Absagen gegeben: Zu weit weg von der Stadt, zu wenige Menschen. Und die Gerüchte werden wieder lauter, dass in der näheren Umgebung nicht wie geplant weiter gebaut wird. Was tun? Vor allem nicht den Kopf hängen lassen. Mehr Werbung muss her. Für Touristen, die bei den ersten Sonnenstrahlen zum Volkspark strömen, für frühstückshungrige Studenten der Fachhochschule und 40 neue Mieter, die unlängst hier ihr neues Zuhause fanden. Doch bisher geht das Konzept nicht auf. Aufsteller am Parkeingang oder an der Tramhaltestelle gestatte das Ordnungsamt nicht. Der Kneipenwirt lässt nun Flyer verteilen. Doris Flöter ist enttäuscht: „Wie soll man an der Haltestelle zum Park vermuten, dass man hier etwas essen kann?“ Ende des Jahres wollen die beiden Frauen vom Backwarenladen, die schon über längere Berufserfahrung verfügen, Bilanz ziehen. Ob es sich rechnet, durchzuhalten? Bleibt zu wünschen, dass an diesem Tag die umliegenden Mieter sagen: „Schön, dass es hier immer noch frische Brötchen gibt.“ Brigitte Einbrodt

Brigitte Einbrodt

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