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Landeshauptstadt: Weiter voran in der Potsdamer Mitte

Die Entwicklung der Innenstadt ist von der Bewerbung als europäische Kulturhauptstadt 2010 nicht zu trennen

Die Entwicklung der Innenstadt ist von der Bewerbung als europäische Kulturhauptstadt 2010 nicht zu trennen Von Saskia Hüneke Im Beirat Potsdam Mitte wurden unter fachlichem Rat und aus einem breiten politischen Spektrum heraus – von SPD, PDS, CDU, B90/Die Grünen und Bürgerbündnis konsensfähige Konzepte für die Potsdamer Mitte entwickelt. Nach öffentlicher Diskussion fanden sie eine breite Mehrheit in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung sowie öffentliche Beachtung in Ausstellungen und Veranstaltungen. Seit dem Wahlkampf 2003 gibt es nur noch Hickhack. Schade, denn eigentlich hat Potsdam bisher eine reife Leistung hingelegt. Die Einschränkung der Entwicklungsfragen der Potsdamer Mitte auf das Schloss, und da ausschließlich auf das historische Schloss, führt immer wieder zu Verhärtungen wie kürzlich im Standpunkte-Beitrag von Anita Tack. Statt sich ideologisch zu bekämpfen, sollten sich alle Kräfte gemeinsam um die Bewältigung der schwierigen Aufgaben der Gegenwart in Potsdam bemühen. Dies gilt unter vielen wichtigen Fragen besonders auch für die gigantischen Vorhaben der Entwicklung der Potsdamer Mitte von der Dortustraße bis zum Alten Markt als Ganzes, und dies gilt ebenso für die Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2010. Nach meiner Auffassung sind diese beiden Aufgaben kein Widerspruch, sondern können und sollen sich gegenseitig befördern. Potsdam hat ein großartiges Kulturangebot aller Couleur und fast aller Künste. Die Kulturhauptstadtbewerbung ist darauf sehr gut begründet, auch wenn sie die Qualitäten der Kulturleute noch viel zu wenig einsetzt. Die Qualifizierung der Bewerbung sowie eine entsprechende Prioritätensetzung in der kommenden städtischen Haushaltsdebatte sind die beiden Hauptaufgaben der nächsten Wochen. Letzteres wird besonders schwierig, da sich das Land aus vielen Finanzierungen zurückzieht, was nur akzeptabel wäre, wenn sich gleichzeitig die Finanzausstattung der Kommunen verbessern würde. Da dies zunächst nicht der Fall ist, ist es das Primäre, die lebendige Kulturarbeit zu erhalten. Nur wenn das insgesamt gelingt, haben die Investitionen Nikolaisaal, Theater, Zentrum für Soziokultur, Potsdam-Museum, Kutschstall, Treffpunkt Freizeit einen Sinn. Und nur so hat die Bewerbung eine Chance. Frau Tack beschwert sich darüber, dass die Frage der Kulturhauptstadtbewerbung mit dem Stadtschloss verknüpft wird, die Bewerbung sei keine Bautenfrage. Dabei übersieht sie eine Menge: Neben vielem anderem gehört auch die Baukultur einer Stadt unbedingt zur Kultur! Damit ist nicht nur der große Reichtum an historischen Bauwerken vom 17. bis zum 20. (!) Jahrhundert gemeint. Dazu gehört auch, wie wir damit in der Pflege der Denkmale und der Bebauung „nebenan“ umgehen. Man wird es nicht wegreden können: Im Rahmen der Bewerbung zur Kulturhauptstadt spielt unser Umgang mit der historischen Mitte eine zentrale Rolle. Sie ist mit Stadtschloss, Garnisonkirche und Stadtkanal der Ort, an dem sich der Umgang mit allen Facetten unserer Geschichte vom Edikt von Potsdam, zum Tag von Potsdam und dem Abriss der großen Kulturbauten in seiner Problematik widerspiegelt – so oder so. Die historischen Bauplätze haben nun mal eine große Signalwirkung. Sowohl Rekonstruktionen als auch moderne Neubauten müssen sich einem hohen Anspruch stellen. Wir sind uns einig, wenn Frau Tack schreibt, dass die Brache im Zentrum nicht einfach mit einer Kopie des Schlosses bebaut werden soll, sondern mit einem Gebäudeensemble, das die Fähigkeit widerspiegelt, Altes mit Neuem in Verbindung zu bringen. Das vom Beirat vorgeschlagene Konzept für den Alten Markt mit modernen Bauten anstelle der Fachhochschule und des ehemaligen Palastes Barberini, dem Landtagsneubau mit weitgehend alter Schlosshülle und modernem Plenarsaal als Grundlage für einen Wettbewerb – das ist es doch genau, warum wird das nicht einfach unterstützt? Bleiben die von Frau Tack beschriebenen Prioritäten für den Einsatz öffentlicher Gelder, die für Schulsanierung, die Stadt- und Landesbibliothek etc. zur Verfügung stehen sollen. Es kann doch keiner ernsthaft glauben, dass das Kulturministerium die Kürzung der Personalkosten der Landesbibliothek zurücknehmen würde, wenn die Stadt den städtischen Eigenanteil bei den Investitionen für die Mitte zurückfahren und damit auf Landesmittel aus dem Etat des Bauministeriums und aus dem Brachflächenprogramm der EU verzichten würde? In den letzten zehn Jahren sind fast 170 Millionen DM in Sanierung und Neubau von Bildungseinrichtungen in Potsdam geflossen! Gewiss, wir sind noch nicht fertig mit dem Programm, aber wer sagt denn, dass wir damit aufhören wollen? Es gibt einen eindeutigen fraktionsübergreifenden Konsens in der hohen Priorität für die Sanierung der Schulen. Ähnlich wie bei der Schiffbauergasse oder in den Neubaugebieten am Stern und in Drewitz geht es bei der Mitte Potsdams um viele verschiedene Finanzmittel: Städtische und Landesmittel können in einem extrem günstigen Verhältnis durch Mittel des Bundes oder der EU vermehrt werden. So werden die Mittel für die laufende Baufeldfreimachung am Alten Markt (1. Bauabschnitt) zu 75 Prozent aus dem Brachflächenprogramm der EU und zu je 8,3 Prozent vom Bund, dem Land und der Stadt Potsdam finanziert. Derartige Modelle werden auch für die späteren Bauabschnitte angestrebt. Dabei geht es immer um die Nutzung von speziell ausgerichteten Förderprogrammen, deren Gelder nicht auf andere Maßnahmen umgeleitet werden können. Wenn wir nicht entschlossen entscheiden, werden der Stadt Millionen entgehen, die auch aus deutschen Steuergeldern in den EU-Beiträgen stammen. Durch Vorleistungen wie die Baufeldfreimachung am Alten Markt würden private Investitionen in großem Umfang ermöglicht werden. Die gesamte Wirtschaft in der Stadt hätte etwas von einer positiven Entwicklung der Mitte. Es entstünde Arbeit, Steueranteile könnten u.a. für Bildung und Kultur genutzt werden. Bezogen auf das Schloss, sind wir uns einig, dass wir keine kommerzielle Nutzung analog zum Kaufhausschloss in Braunschweig wollen, sondern eine öffentliche Nutzung. Also brauchen wir dafür auch öffentliches Geld, und auch hier geht es um Mischfinanzierungen, um EU-Mittel, um die Einbindung von Sponsoren. Die Stadt hat darüber hinaus mit den Grundstücken am Alten Markt hochwertigen Grundbesitz, den sie einsetzen kann, für das Grundstück des Landes vom Brauhausberg gilt dasselbe. Weiter: Das Land bringt trotz der Haushaltslage weiter Mittel für Wirtschaftsförderung auf. Es ist doch sinnvoller, mit einem Landtagsschloss Arbeit und Steuerkraft verteilt in vielen Orten Brandenburgs zu schaffen, als immer wieder mit riesigen Millionensummen vage Großprojekte zu stützen. Dann merken auch Brandenburger Gemeinden, in denen Baufirmen sitzen, Bildhauer und Steinmetze leben, dass ein Landtagsschloss kein herausgeschmissenes Geld ist, sondern Geld, das jemand im Land Brandenburg mit seiner Arbeit verdient. Käme es zu mutigen Entscheidungen, könnten dann im Kulturhauptstadtjahr 2010 spektakuläre Bauereignisse stattfinden – die Enthüllung moderner Fassaden anstelle der FH am Alten Markt z. B., die Anbringung der originalen Reliefs an den Seitenflügeln oder die Einweihung des Versöhnungszentrums im Garnisonkirchturm. Die Vorstellung, dass sich Tausende Menschen in den neugewonnenen Stadträumen vor neuen/alten Bauwerken zu Veranstaltungen bewegen, ist äußerst konstruktiv – für Potsdam, für Brandenburg. Wenn wir das wollen, muss jeder Schritt, der möglich ist, sofort getan werden. Die Autorin ist Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung.

Saskia Hüneke

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