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Landeshauptstadt: Teure Alkoholfahrten

Polizei stoppte Auto- und Radfahrer mit über zwei Promille

Polizei stoppte Auto- und Radfahrer mit über zwei Promille AUS DEM GERICHTSSAAL Von Gabriele Hohenstein „Der Griff zur Flasche war eine Kurzschlussreaktion“, schätzt Rüdiger H. (60) reumütig ein. „Sie können sich jeden Tag sinnlos betrinken. Das ärgert höchstens die Leber“, entgegnet Amtsrichterin Waltraud Heep sarkastisch. „Allerdings dürfen Sie dann nicht mehr Auto fahren.“ Doch genau das legt der Staatsanwalt dem Witwer zur Last. Er wurde am Nachmittag des 10. September 2003 mit 2,67 Promille in seinem Opel auf der Autobahn erwischt. Jener Tag sei ein Meilenstein in seinem Leben gewesen, erzählt der arbeitslose Diplom-Ingenieur. Endlich habe er sich dazu durchgerungen, zu seiner Lebensgefährtin nach Wittenberg zu ziehen und einen Teil seines Mobiliars in die Lutherstadt gebracht. In der Wohnung der Partnerin habe er dann – erleichtert über seinen Entschluss und aus Freude darüber, dass sich die Möbel so gut in die neue Bleibe einfügten – eine halbe Flasche Kräuterlikör getrunken. Nein, Gedanken habe er sich nicht gemacht, ob er in diesem Zustand noch ans Steuer dürfe, gesteht der Mann freimütig. „Ich hatte nur das Ziel, zurück nach Potsdam zu fahren.“ Er sei sehr überrascht über die hohe Promillezahl gewesen. „Die Polizei hat mir sofort den Führerschein abgenommen“, berichtet der Alkoholsünder. Geht es nach dem Willen des Staatsanwalts, darf Rüdiger H. jetzt ein ganzes Jahr nicht mehr ans Lenkrad seines Autos. Außerdem soll er wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 45 Euro zahlen. Die Richterin empfindet die Höhe der finanziellen Sanktion angemessen, bemisst die Zeit, in der der Angeklagte öffentliche Verkehrsmittel nutzen muss, allerdings auf acht Monate. „Das ist sowieso eine theoretische Frist“, gibt sie zu bedenken. Bevor Rüdiger H. eine neue Fahrerlaubnis bekommt, müsse er erst einmal den „Idiotentest“ bestehen. Die Anklagebank ist noch warm, als René G. (37) auf ihr Platz nimmt. Der Bohrmeister war am 4. Oktober vorigen Jahres mit 2,49 Promille auf seinem Fahrrad in der Berliner Straße unterwegs. Er kann sich an mindestens acht doppelte Cola-Whisky und sechs Gläser Sekt erinnern. „Könnte hinkommen“, rechnet die Vorsitzende. „Wo waren Sie, und wo wollten Sie hin?“ Der Familienvater berichtet von einer Sause bei einem Kumpel. „Der wohnt nur 700 Meter entfernt. Ich dachte, die Polizei rät mir, das Rad zu schieben, als sie mich auf dem Heimweg stoppte.“ Ihm sei neu, dass man sich „mit ein paar Umdrehungen“ auch nicht aufs Fahrrad setzen darf, erklärt der Angeklagte. „Da müsste die Polizei zu Himmelfahrt ja mit dem Schleppnetz ausrücken.“ „Warum – um Himmels Willen – sind Sie das kurze Stück nicht gelaufen?“, hakt die Richterin nach und verurteilt den bereits wegen zweifacher fahrlässiger Trunkenheit am Steuer Vorbestraften zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen a 40 Euro. „Wären Sie wieder mit dem Auto unterwegs gewesen, wäre die Fahrerlaubnis futsch“, gibt sie ihm noch mit auf den Weg.

Gabriele Hohenstein

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