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Landeshauptstadt: Statt Laster jetzt Minizüge

Nach 115 Jahren macht das Unternehmen Schmiede und Fahrzeugbau Knauer/Wulkow Schluss

Nach 115 Jahren macht das Unternehmen Schmiede und Fahrzeugbau Knauer/Wulkow Schluss Von Hella Dittfeld Besonders traditionsbewusst ist Schlossermeister Günter Wulkow nicht. Erst eine große Aufräumaktion auf dem Hausboden förderte einen silbernen Meisterbrief zutage, der im Jahre 1914 seinem Urgroßvater von der Schmiedeinnung Potsdam verliehen wurde. „Wenn man die 25 Jahre bis zum eigentlichen Meisterbrief abrechnet“, sagt Ehefrau Käte Conen – sie hat bei der Heirat ihren Mädchennamen behalten – , „kommt ein 115-jähriges Betriebsjubiläum heraus.“ Das klingt etwas vage, sicher ist aber, dass alles in Drewitz in der jetzigen Sternstraße 6 begann. Das Haus war damals noch einstöckig und zum Anwesen gehörte Acker- und Gartenland, das die Frauen bewirtschafteten. Sie waren wie allgemein üblich für das Hauswesen zuständig, es wurde Viehzeug gehalten, unter anderem Ziegen, Schweine und Kaninchen. Die Frauen halfen aber immer auch in der Firma mit. Jede auf die Weise, die gerade notwendig war. Starke Frauen also hinter kräftigen Männern. Dabei sieht Urgroßvater und Firmengründer Ernst Knauer auf einem alten Foto, ebenfalls bei den Aufräumarbeiten entdeckt, in feinem Zwirn mit aufgezwirbeltem Schnurrbart gar nicht wie ein kräftiger „Eisenbieger“ aus. Auch seine Frau im hochgeschlossenen Kleid wirkt eher wie eine Städterin und nicht wie eine hart arbeitende Handwerkersfrau. Doch die beiden müssen ihre Sache gut gemacht haben. Ernst Knauer errichtete 1910 statt der kleinen „Kate“ ein zweistöckiges Wohnhaus und integrierte die Schmiede, die sein Sohn Wilhelm 1921 übernahm. Leider starb der bereits mit 44 Jahren und da er nur zwei Töchter und keinen Sohn in die Welt gesetzt hatte, wurde nach einem geeigneten Heiratskandidaten und Nachfolger gesucht. Der fand sich bei einer Schmiedemeisterfamilie in Großbeeren. Während der erste Sohn der Wulkows die väterliche Werkstatt übernahm, heiratete der zweite bei den Knauers ein. Dem gerade erst 18-jährigen Mädchen wurde für eine eigene Männer-Wahl nicht viel Zeit gelassen, die Zeit drängte. Es musste wieder ein Meister in die Firma, die nach dem frühen Tode ihres Vaters von der Mutter und einem Gesellen weitergeführt worden war. Nach Aussage ihrer Kinder hat sie sich aber nicht nur in ihr Schicksal gefügt, sondern eine gute Ehe geführt und kräftig mit zugepackt. Haus und Garten waren ihre Domäne und, wie sie immer betonte, alles eine Frage der Zeiteinteilung. Bis vor kurzem noch hat die 86-Jährige im Gemüsegarten herumgezupft. Für die Schmiedemeister löste derweil das Auto mehr und mehr die Pferdefuhrwerke ab. Aber auch der jetzige Firmeninhaber hat noch Pferde beschlagen, das letzte 1990. Doch diese Arbeit sei mit den LPG-Gründungen schon stark zurückgegangen und so wandten sich Vater und Sohn Wulkow in den 60er Jahren verstärkt dem Auto zu. 1973 wurde man dann Vertragswerkstatt für IFA-Nutzfahrzeuge und konnte über Arbeitsmangel nicht klagen, dafür eher über die Lieferung von Ersatzteilen, die bis zu zwei Jahre vorbestellt werden mussten. Doch Günter Wulkow – „wir sind eine sparsame Familie“, sagt er lachend, „und haben bei allen Vornamen das h eingespart“ – erinnert sich noch genau, dass ein Dorfschmied alles können musste vom Reparieren von Mutters Waschzuber bis zum Anfertigen eines Gartenzaunes. 1959 hatte Günter bei seinem Vater die Lehre begonnen, 1966 seinen Meister gemacht und 1972 die Firma schließlich übernommen. Auf sein Konto gehen nicht nur die fortlaufende Modernisierung der Werkstatt, sondern auch ein praktischer Anbau. Um nach der Wende aber große Brummis zu reparieren fehlte der Platz. Das Ackerland war zu Baugrund geworden, auf dem heute ein Teil des Kirchsteigfeldes steht. Ein Stück Garten ist geblieben. Käte liebt allerdings mehr Rasengrün und Blumen. Bis 1986 hat sie noch beim Dokfilm, zuletzt als Industrie-Werbefilmerin gearbeitet, für ihren Mann die Buchführung erledigt und beim Entwerfen stilvoller Gartenzäune und Fenstergitter geholfen. Gemüseanbau war nicht ihr Ding. Nach der Wende wurde der Zaunbau zum Haupterwerbszweig und es entstanden dabei Stücke, die von hoher Handwerksmeisterkunst zeugen. Die Feier des über hundertjährigen Firmenjubiläums geschieht nun in aller Stille, denn der letzte in der Handwerkerdynastie hat wegen Krankheit seine Werkstatt schließen müssen und wird wohl mit 60 Jahren in Rente gehen. Auch ein Nachfolger für das traditionsreiche Unternehmen ist nicht in Sicht. Doch so ganz ohne Handwerk möchte auch der gesundheitlich angeschlagene Günter Wulkow nicht sein. Auf rund 14 Quadratmetern Fläche rollen bei ihm Märklin-Modelleisenbahnen über Brücken und durch Tunnel vorbei an Bahnhöfen, Häusern und Landschaften, an deren Entstehen auch seine Frau Käte nicht unbeteiligt ist.

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