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Sport: „Rechne mit zwanzig Potsdamer Athleten plus X“

Dr. Andreas Hoeppner, Leiter des Olympiastützpunktes Potsdam, über das begonnene Olympiajahr und Chancen für Athen

Dr. Andreas Hoeppner, Leiter des Olympiastützpunktes Potsdam, über das begonnene Olympiajahr und Chancen für Athen Herr Hoeppner, am Donnerstag sind es noch 218 Tage bis zu Beginn der Olympischen Sommerspiele – werden Sie langsam unruhig? Ich werde nicht unruhig, aber die Arbeitsleistungen des Olympiastützpunktes Potsdam und der Mitarbeiter wachsen natürlich an. Für einen Olympiastützpunkt – auch kurz OSP genannt – ist ein Olympiajahr immer die Stunde der Wahrheit. Welche Wahrheit wird Athen 2004 dem OSP Potsdam bringen? Wir hoffen natürlich, dass sich die Anstrengungen des Olympiazyklusses, also der vergangenen vier Jahre, jetzt auszahlen und dass das Training der Athleten mit der individuellen Bestleistung in Athen einen krönenden Abschluss finden wird. Damit würde auch der intensive und engagierte Einsatz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Athleten und Trainer seine Anerkennung finden. Mit wie vielen Olympiateilnehmern aus Potsdam rechnen Sie in diesem Sommer? Wir müssen unterscheiden zwischen den Aktiven, die Potsdamer Vereinen und dem Team 2004 der Stadt Potsdam angehören, und Sportlern aus anderen Bundesländern, die ebenfalls unsere Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen; so im Rudern alle Skullerinnen unter der Regie von Bundestrainerin Jutta Lau oder im Kanurennsport Athleten der Sportfördergruppe der Bundeswehr, die beispielsweise bei Rolf-Dieter Amend trainieren. Ich rechne mit zwanzig Potsdamer Athleten plus X sowie weiteren Sportlern aus den Bundesstützpunkten Rudern und Kanu. An wen konkret denken Sie dabei? Natürlich an die weltbeste Skullerin aller Zeiten Kathrin Boron zusammen mit Kerstin El-Qalqili und Christiane Huth. Im Kanurennsport an Katrin Wagner, Tim Wieskötter und hoffentlich auch Manuela Mucke und Peter Hörnig, im Schwimmen an Jana Henke und Toni Helbig, in der Leichtathletik an Andreas Erm und Melanie Seeger sowie hoffentlich auch Sabine Zimmer und Claudia Hoffmann. Die Fußball-Weltmeisterinnen 2003 Ariane Hingst, Nadine Angerer, Viola Odebrecht und Conny Pohlers müssen natürlich dabei sein, vielleicht gemeinsam mit Navina Omilade, Anja Mittag, Jennifer Zietz und Petra Wimbersky. Und im Judo die Vizeweltmeisterin des letzten Jahres Yvonne Bönisch. Mit einem Blick auf die zweite Gruppe rechne ich auch damit, dass bei den Kanuten Ronald Rauhe eine sichere Bank ist und es vielleicht auch Lutz Altepost schaffen wird. Wieder neu auf den Plan getreten ist ja Birgit Fischer, die für ihre individuelle Olympiavorbereitung ebenfalls Betreuungsleistungen des OSP nutzt. Im Rudern gehören Britta Oppelt, Manuela Lutze und Katrin Rutschow-Stomporowski ebenso zu den Favoriten, die in Athen sicher mit dabei sein werden. Worauf ruhen Ihre Hoffnungen, mit einer so großen Sportlergruppe zur deutschen Olympiamannschaft zu gehören? Zum einen handelt es sich um einen erfahrenen Stamm von Athletinnen und Athleten, die schon ein- oder mehrmals an Olympische Spielen teilgenommen haben. Außerdem drängen Nachwuchsathleten wie Christiane Huth und Toni Helbig, die erstmals die Chance dazu haben, mit nach vorn. Eine gute Mischung von Jung und Alt, die mit hervorragenden Leistungen im Olympiazyklus gezeigt hat, dass sie in der Lage ist, olympische Leistungen zu vollbringen. Wieviel Edelmetall müsste denn im Sommer in Griechenland für den Olympiastützpunkt Potsdam herausspringen, um Athen als Erfolg bezeichnen zu können? An erster Stelle gebührt das Edelmetall den Athleten, die es durch jahrelanges Training und intensive Vorbereitung verdient haben, ihre sportliche Leistung mit einer Medaille gekrönt zu bekommen. Ansonsten gibt es diesbezüglich für die Olympiastützpunkte keine Vorgaben des Deutschen Sportbundes, das ist vielmehr Sache der einzelnen Sportverbände, die dem NOK für Deutschland ja auch die Athleten für die deutsche Olympiamannschaft vorschlagen. Hauptkriterium ist die begründete Chance für eine Finalteilnahme. Wir rechnen allerdings mit etwa der gleichen Medaillenzahl wie vor vier Jahren in Sydney. Wenn in Athen drei oder vier Gold- und zwei, drei weitere Medaillen herausspringen würden, wäre das ganz hervorragend. An welche Sportarten denken Sie dabei vor allem? Natürlich zuerst an die Schwerpunktsportarten im Betreuungsfeld des OSP, also Rudern und Kanu, Schwimmen und Leichtathletik, aber auch an Fußball. Welche vom OSP betreuten Sportarten würden Sie als Aufsteiger dieses Olympiazyklusses bezeichnen, welche als Absteiger? Während sich die Sportarten Rudern und Kanu weiterhin ganz oben in der Weltspitze behaupten konnten, haben die Fußballerinnen aufgeschlossen und die Leichtathletik einen Schritt nach vorn gemacht. Was augenblicklich stagniert, das ist die Sportart Schwimmen. Hier ist es den Nachwuchstalenten, bis auf Toni Helbig, nicht gelungen, den internationalen Anschluss herzustellen. Nur Jana Henke, eine gestandene Weltklasseathletin und jetzt auch Olympiabotschafterin für Leipzig 2012, behauptet hier nach wie vor ihre Position. Und Absteiger in unserem Betreuungsfeld ist ganz klar die Sportart Ringen. Ihnen ist es bei internationalen Meisterschaften nicht gelungen, Weltspitzenniveau zu erreichen. Können sich Potsdams Olympiakandidaten optimal auf Athen vorbereiten? Das kann ich guten Gewissens bejahen. Wir haben am Standort Potsdam beste Bedingungen. In den vergangenen Jahren konnten hier mit Hilfe des Bundesministeriums des Innern, des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport des Landes und den Möglichkeiten der Landeshauptstadt Potsdam hervorragende Trainingsbedingungen für alle unsere Schwerpunktsportarten geschaffen werden. Zuletzt wurde ja im September 2003 die Leichtathletik-Halle nach ihrer Sanierung übergeben, so dass alle Bundesstützpunkte hier in Potsdam exzellente Möglichkeiten für das tägliche Training und die Olympiavorbereitung nutzen können. Auch die Serviceleistungen des Olympiastützpunktes wurden ausgebaut. Wir verfügen über hochqualifizierte, top-einsatzbereite und höchst flexible Mitarbeiter und ein umfangreiches technisches Equipment, was es uns möglich macht, nach modernsten Methoden Trainingsdiagnostik und Unterstützung für die Athleten zu gewährleisten. Vor einem Jahr klagten Sie im PNN-Interview über Kapazitätsverluste vor allem im Bereich der Sportmedizin und über Probleme in der Laufbahnberatung – wie sieht es hier inzwischen aus? Im Bereich der Sportmedizin ist es durch unseren leitenden Sportmediziner, Herrn Dr. Ralph Schürer, gelungen, ein großes Kooperationsfeld an Partnern für die sportmedizinische Unterstützung und Betreuung zu gewinnen. Mit Frau Oberfeldärztin Dr. Helke Zielonka konnten wir jetzt außerdem bei der Bundeswehr für die Athleten, die der Sportfördergruppe der Bundeswehr angehören, eine kompetente Partnerin für die Olympia-Vorbereitung mit einbeziehen. Und was die Laufbahnberatung betrifft: Alle unsere Olympia-Kandidaten sind sozial solide abgesichert. Bundeswehr und auch Bundesgrenzschutz sind Hauptsponsoren für eine Vielzahl von Athleten. Und andere Athleten haben leistungssportfreundliche Arbeitgeber, wie Jana Henke mit Herrn Peter Ernst, dem Chef des Medizinischen Labors Küsselstraße auf Hermannswerder, der großes Verständnis für Janas Training als Voraussetzung für ihre Höchstleistungen aufbringt und der ihr alle Unterstützungsmöglichkeiten gibt. DSB-Vizepräsident Ulrich Feldhoff fordert in Athen Rang drei Deutschlands in der Nationenwertung hinter den USA und Russland – ist das nach zuletzt Platz 5 in Sydney realistisch? Dazu gibt es vom leitenden Direktor des Bundesvorstandes Leistungssport eine Analyse der Wettkampfergebnisse des Jahres 2003, aus der deutlich wird, dass nach den großen Nationen USA und Russland sich China, Japan, Ungarn und Deutschland um diesen Platz drei streiten werden. Die deutschen Platzierungen des letzten Jahres stimmen hoffnungsfroh, aber jeder weiß auch, dass Olympische Spiele nicht mit Welt- oder kontinentalen Meisterschaften zu vergleichen sind. Sie sind das höchste Fest des Sports, das die Athleten vor besondere Bedingungen stellt. Besteht, falls in Athen nicht alle Wünsche aufgehen, wie schon nach Sydney die Gefahr, dass Olympiastützpunkte zusammengelegt oder gar geschlossen werden? Wir im Land Brandenburg – vor allem die beiden Olympiastützpunkte Potsdam und Cottbus/Frankfurt (Oder) – halten das gegenwärtig praktizierte Konzept, vor Ort an der Basis Betreuungsleistungen höchst flexibel in Absprache mit den Trainern und Athleten anbieten zu können, für das beste Modell. Und wir hoffen, dass die Ergebnisse von Athen das erneut unter Beweis stellen werden. Grundsätzlich gibt es seitens des Deutschen Sportbundes einen Präsidiumsbeschluss aus der Zeit nach Sydney, der gegenwärtig Gültigkeit besitzt, dass nach 2004 das System der Olympiastützpunkte erneut und diesmal extern bewertet wird. Dann wird die Frage nach Effizienzsteigerung sicher wieder auf dem Plan stehen. Ulrich Feldhoff plädiert dafür, die Zuordnung von Schwerpunktsportarten an den Olympiastützpunkten zu überdenken – welche Folgen könnte das für Potsdam haben? Ich habe Herrn Feldhoff so verstanden, dass er dafür plädiert, die Gesamtanzahl von Schwerpunktsportarten pro Olympiastützpunkt zu begrenzen – um sich nicht zu verzetteln beziehungsweise um nicht einen Riesenbedarf an Kapazitäten an einem Ort zu binden – und eventuell sogar eine Verteilung der Schwerpunktsportarten über Gesamtdeutschland anzugehen. Das gilt es aber sicher noch einmal im Rahmen der Fachkreise zu erläutern und wir sind sehr gespannt, wie der Bundesausschuss Leistungssport da auf uns zu kommt. Was die Schwerpunktsetzung für Potsdam betrifft, sehe ich für den neuen Olympiazyklus in Richtung Peking dann Rudern, Kanu und Leichtathletik hier weiter als gesichert. Ringen und Schwimmen stehen meiner Ansicht nach gegenwärtig auf der Kippe. Das wird aber keine Entscheidung des Geschäftsbereiches Leistungssport im DSB am grünen Tisch sein, sondern es ist ganz allein Sache der Spitzenverbände, also des Deutschen Ringer-Bundes und des Deutschen Schwimmverbandes, wie sie ihre Schwerpunktsetzung in Deutschland vornehmen. Nach Olympia wird Athen ab 17. September auch Austragungsort der Paralympics sein, bei denen mit Mathias Köhler, Steffen Lehmann und Matthias Schmidt auch drei Goalballer des SC Potsdam starten könnten. Haben diese Behindertensportler ebenfalls gute Bedingungen, sich hier vorzubereiten? Betreuungsleistungen für Behindertensportler ist ein neues Thema am Olympiastützpunkt Potsdam. Wir sind vom für Goalball zuständigen Bundeshonorartrainer Knut Kursawe des Behindertensportverbandes und von der Potsdamer Trainerin Colette Altwasser um Hilfe und Unterstützung angesprochen worden und sind dem im Rahmen unserer Möglichkeiten gern nachgekommen. Wir haben uns darauf verständigt, dass im Rahmen der Mannschaftszusammenführung in Vorbereitung der Paralympics die Grundbetreuungsleistungen, die ein Olympiastützpunkt überall in Deutschland bereithält, auch von uns für die Goalballspieler gewährleistet werden. Andere Paralympics- Kandidaten nutzen gegenwärtig keine Betreuungsleistungen unseres Olympiastützpunktes. Das Interview führte Michael Meyer

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