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Sport: Mutti auf Mission

Carmen Rüdiger läuft für ein Ziel: die Teilnahme an den Sommerspielen in Athen

Carmen Rüdiger läuft für ein Ziel: die Teilnahme an den Sommerspielen in Athen Ganz sicher war sich Carmen Wüstenhagen nicht, als sie im Herbst 2002 wieder mit dem Laufen in Potsdam begann, zehn Jahre nach ihrem Abschied in Richtung SC Charlottenburg. Doch sie wollte es noch einmal wissen, zu viele Fragen blieben nach dem Rücktritt vom Leistungssport im Jahr 2000 offen. Hat sie alles für den persönlichen Erfolg getan? Zwei Jahre später stand sie wieder vor einer neuen Entscheidung: Kann man sich nach so langer Pause als Mittelstreckenläuferin innerhalb von zwei Jahren für die 1500 Meter der Leichtathleten bei Olympischen Spiele qualifizieren? Athen, im August 2004 – dann ist sie 31 Jahre alt, hat einen knapp dreijährigen Sohn und war zwischen Februar 2000 und Sommer 2003 bei keinem Wettkampf. Und dennoch sprach sie sich im Herbst 2002 gemeinsam mit Katje Hoffmann dafür aus es zu versuchen. Inzwischen heißen sie Carmen Rüdiger und Katje Schmidt: Rüdiger wird von Schmidt betreut und gilt beim SC Potsdam neben den offiziellen Olympiakandidaten als interne Olympiahoffnung. Ende des letzten Jahres sagte Carmen Rüdiger es dann offiziell: Sie wolle sich über 1500 Meter für Athen qualifizieren. Im letzten Jahr bei einem Bummelrennen Dritte der Deutschen Meisterschaften, schaffte sie in ihrem Eingewöhnungsjahr Zeiten um vier Minuten und zwanzig Sekunden; damit war sie drittschnellste Potsdamerin in den Bestenlisten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes hinter Kathleen Friedrich und Antje Möldner. Ein bisschen Luft zur Weltspitze, die um vier Minuten läuft, und auch zur eigenen Bestzeit besteht also noch. Denn die liegt bei 4:07,86 Minuten aus dem Jahr 1996, als sie sich für Olympia in Atlanta qualifizierte und erst im Halbfinale ausschied. Damals startete die frühere Sportlerin des ASK Vorwärts Potsdam bereits für den SC Charlottenburg. Fast alle hoffnungsvollen Potsdamer Athleten zog es nach der Wende weg – es war eine „Laufbewegung“ von Potsdam nach Berlin. Rüdiger-Wüstenhagen, die gemeinsam mit Kati Kovacs wegen ihrer Leistungsstärke früher als andere Läuferinnen von Nachwuchstrainer Thomas Schelk zu Bernd Dießner wechselte, ging Anfang der Neunziger Jahre samt Trainingsgruppe und Coach Dießner zum SCC und wurde danach zweimal Zweite und einmal Dritte der Deutschen Meisterschaften über 1500 Meter. Der große internationale Erfolg blieb jedoch aus, auch wenn sie 1996 bei Olympia und ein Jahr später an den Weltmeisterschaften teilnahm. Als die Gruppe um Bernd Dießner – unter anderem mit Doreen Walther und Kathleen Friedrich – in Richtung Chemnitz zog, blieb Rüdiger-Wüstenhagen in Berlin, trainierte bei Cheik-Idriss Gonschinska (dem Trainer von Nico Motchebon) und später bei Winthrop Graham, dem früheren jamaikanischen 400-Meter-Hürdenläufer. Noch vor einem Jahr erntete Rüdiger nach ihrem Entschluss, wieder leistungssportorientiert zu trainieren, neben Lächeln auch Anerkennung und Unterstützung. Die Zeiten, in denen deutsche Läuferinnen in die Nähe der Weltspitze kamen sind auf Rüdigers Strecke, den 1500 Metern, lange zu Ende. Der deutsche Meistertitel, den sich die Potsdamerin Kathleen Friedrich – bis dato noch für Chemnitz startend – im Jahr 2003 zum vierten Mal in Folge sicherte, ging mit 4:21,86 Minuten weg. Melanie Klein-Arndt (Rosellen/Neuss) als Zweite lief 4:26,39 und Rüdiger 4:27,98 Minuten. Zum Vergleich: bei den Weltmeisterschaften in Paris zwei Monate später gewann Tatyana Tomashova (Russland) in 3:58,52 Minuten. Einen Start deutscher Athletinnen gewährte der DLV nicht – da sind momentan zwei Welten auf einer Bahn unterwegs. Landestrainerin Beate Conrad begrüßte damals den Schritt Rüdigers, wieder mit dem Training zu beginnen, und sagte angesichts der anhaltenden Misere deutscher Mittelstreckenläuferinnen im Scherz, wäre sie zehn Jahre jünger, hätte sie auch nochmal angefangen. Die ehemalige Mittelstrecklerin Conrad betreut beim SC Potsdam unter anderem Kathleen Friedrich und Antje Möldner. Friedrich gilt ebenfalls als interne Olympiahoffnung – gemeinsam mit Rüdiger trainiert hat sie nie, beide kennen sich nur von Wettkämpfen. Die Zeiten für den Sommer klingen angesichts der langen Verletzungs- und Babypause utopisch. 4:04 bis 4:05 Minuten muss Carmen Rüdiger nach Ansicht ihrer Trainerin Katje Schmidt im Sommer laufen, um sich für die Spiele zu qualifizieren. Das ist die internationale Normzeit, die nationale wird wohl knapp darüber liegen. Zumindest die Trainingsleistungen seien viel versprechend, erzählt Schmidt, die Rehabilitation studiert hat und nun an einem Projekt „Bewegungstherapie mit Kindern“ der Universität Potsdam beteiligt ist. Bei den Landesmeisterschaften in zwei Wochen in der sanierten Leichtathletikhalle am Luftschiffhafen soll Rüdiger den nächsten Lauf unter Wettkampfbedingungen bestreiten, danach folgen die Norddeutschen Meisterschaften und nationale Meetings. „Sie muss die Erfahrung im Rennen kriegen und Sicherheit bekommen“, sagt Katje Schmidt, die keine Ambitionen als Trainerin hegt und auch nach dem Ausstieg beim Jugendklub des SC Potsdam weiter den Lauftreff 2000 betreut. Viel profitiert Rüdiger nach Ansicht Katje Schmidts von der ersten leistungssportlichen Karriere, „da kann viel wieder abgerufen werden“. Dass es letztendlich zum Ziel Athen führt – daran glauben beide zumindest. Etappenziele für die kommenden Monate werden aber nicht genannt. Man habe Zeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt im Visier, das seien aber nur Richtwerte. Und wenn es nicht klappt, der ganz große Wurf zum erneuten Olymp? „Von der Trainingseinstellung her ist sie so gut, dass sie sich später nie vorwerfen kann, sie hätte es nicht probiert“, sagt Schmidt. Bis zur Eröffnungsfeier der Spiele in Athen sind es von heute an noch 219 Tage – der Countdown für Carmen Rüdiger läuft. Jan Brunzlow

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