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Landeshauptstadt: Mikrokosmos als Museum

Morgen öffnet das private Museum „Alexandrowka“ im Haus Russische Kolonie Nummer 2 – Russlands Botschafter kommt zur Einweihung

Morgen öffnet das private Museum „Alexandrowka“ im Haus Russische Kolonie Nummer 2 – Russlands Botschafter kommt zur Einweihung Von Günter Schenke Ein Mann läuft gemessenen und dennoch zielstrebigen Schrittes durch den Schnee. Er bleibt am Zaun stehen, seine aufmerksamen Augen blicken in die Weite der winterlichen Gärten. In der Ferne ist die Silhouette eines Holzhauses zu sehen. „Ein russisches Erbe in Potsdam“, erklärt Hermann Kremer. Der Arzt aus Westfalen fühlt sich hier in der Kolonie Alexandrowka wie zu Hause. Die Szene im Schnee spielte sich vergangenes Jahr ab. Sie ist auf einem Film über die Russische Kolonie festgehalten. Morgen öffnet das Haus Nr. 2 als Museum. „Der Bauherr wollte etwas ganz Besonderes“ sagt der Potsdamer Architekt Bernd Redlich, der mit der Restaurierung betraut war. „Es ist dem Bauherren hoch anzurechnen, dass er es unrentierlich finanziert.“ Unrentierlich? Es ist ein privates Museum, das dem Mikrokosmos der preußisch-russischen Geschichte vor über 175 Jahren gewidmet ist. Etwas ganz Seltenes, vielleicht Einmaliges. Hermann Kremer steht an einem Tisch mit runder Platte in der „Wohnstube“, die Beine in den ausgewaschenen Jeans über Kreuz geschlagen, und erzählt mit der ihm eigenen etwas stockenden Art, wie es zu dieser „Besonderheit“ kam. Erst wollte er nur restaurieren. Erfahrung hatte er mit dem Haus Nr. 8, in dem Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs mit Familie wohnt, gesammelt. „Fragen über Fragen haben sich aufgetan“, berichtet Kremer und die im Verlaufe der Restaurierung sich immer stärker vermehrenden Fragen führten zum Entschluss: „Das sollte ich der Allgemeinheit zugänglich machen“. Er wolle das Haus „nicht nur physikalisch“, sondern auch „geistig“ öffnen. Für 3,50 Euro Eintrittsgeld soll der Besucher nicht nur etwas für den Augenblick zu sehen bekommen, sondern etwas fürs Leben mitnehmen. Kremer zeigt eine Kammer, von der aus eine Holztreppe hinunter in den Keller führt. Eine Glasplatte bedeckt das Kellerloch und unter dem Glas ist auf einem Bildschirm eine dreidimensionale Simulation vom Aufbau des Hauses sichtbar – eine Idee des Architekturbüros Redlich. Wenn Kremer morgen sein Mikrokosmos-Museum eröffnet, wird er unter den Gästen unter anderem den Botschafter der Russischen Föderation begrüßen. Das scheint eine der „nichtphysikalischen“ Erkenntnisse zu sein, welche das Entstehen der Russischen Kolonie mit ihren 14 Häusern und der Alexander-Newski-Gedächtniskirche auf dem Kapellenberg vermittelt: Ein Zeugnis deutsch-russischer Sympathie, wenn nicht gar Freundschaft auf der Ebene der Monarchen Zar Alexander I. und des Königs Friedrich Wilhelms III. Diesen beiden ist eine der „Kammern“ des Museumshauses gewidmet. Die Kopie der äußerst seltenen Büste des Russen steht auf der linken und das von Christian Daniel Rauch geschaffene Marmorbildnis des Preußen auf der rechten Seite. „Jede Generation muss sich entscheiden, was sie erhalten will und was sie dem Verfall preisgibt. Ich wollte meinen Teil beitragen“, beschreibt Kremer sein Handlungsmotiv. Im Film ist er zu sehen, wie er mit der Hand über die Ziegel des Hauses, das noch nicht mit Holzbohlen kaschiert ist, streicht, fast streichelt. Eine Beziehung zum Material spricht aus dieser Bewegung. Nicht zuletzt erklärt das, warum Kremer einen verfallenen Ziegelei-Ringofen in Päwesin erworben hat und wieder funktionsfähig machen will. Aber das ist ein Kapitel, das er nach der Alexandrowka aufschlagen wird... „Schreiben Sie nicht soviel Persönliches“, so Kremers Bitte an den Reporter. Und: „Schreiben Sie nichts über Geld.“ Letzteres ist kaum möglich, weil sich der Museumsstifter darüber weitgehend bedeckt hält. Nur dass er „Schulden“ gemacht habe, verrät er kurz und dass trotzdem alle Rechnungen bezahlt seien. Fünf Prozent der Kosten habe er über Sponsoren einwerben können. Das Alexandrowka–Museum allerdings soll sich finanziell selbst tragen, hofft er. Sein Sohn Matthias, der im Obergeschoss des Hauses wohnt, will es mit seinem kleinen Team in Betrieb halten. Nicht nur das Haus Nr. 2 ist teilweise ein begehbares Baudenkmal, auch die gesamte Kolonie. Wie Kremer haben die übrigen Eigentümer ihre Häuser soweit wie nur möglich denkmalgerecht instand gesetzt. Die Denkmalbehörde der Stadt tat ein Übriges, brachte die Wege, Zäune sowie die ausgedehnten Obstplantagen in Schuss, ließ gar einen Brunnen bauen. Den reichhaltigen Obstgärten, die zu den Grundstücken gehören, ist im Museum eine Ausstellung in einer der Kammern gewidmet. Dieser Tage finden Baumfällungen am Kapellenberg statt. „Die Beziehung des Alexandrowka-Dorfes zur Kirche muss wieder sichtbar werden“, begründet Stadtkonservator Andreas Kalesse diese Arbeiten.

Günter Schenke

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