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Landeshauptstadt: Luftschiffhafen wird zum Lazarett

Bombenentschärfung: 5000 Potsdamer und Patienten des Klinikums „Ernst von Bergmann“ weichen der Gefahr

Bombenentschärfung: 5000 Potsdamer und Patienten des Klinikums „Ernst von Bergmann“ weichen der Gefahr Innenstadt - Das hat selbst die von Blindgängern gebeutelte Stadt Oranienburg noch nicht erlebt: Potsdam hat am kommenden Sonnabend die größte Klinik-Evakuierung in der jungen Geschichte des Landes Brandenburg zu bewältigen. Die im Innenhof gefundene 250-Kilo-Fliegerbombe amerikanischer Bauart wird von Marion Kunzendorf vom Kampfmittelbeseitigungsdienst Wünsdorf vor Ort entschärft. Wie Dr. Lutz Bütow, Geschäftsführer des Klinikums „Ernst von Bergmann“, gestern auf einer Pressekonferenz erklärte, hat seine Klinik 780 Patienten an beiden Standorten – im betroffenen Hauptgebäude an der Französischen Kirche und in der Klinik in der Aue. Bis Sonnabend wird die Zahl auf 450 bis 500 reduziert. „Viele Patienten werden vorübergehend entlassen“, erklärte Bütow. Von Donnerstag ab 8 Uhr nimmt das Klinikum keine neuen Patienten mehr auf, am Freitag werden 50 schwerstkranke Patienten zum Standort in der Aue transportiert. Am Sonnabend beginnen zwei Busse und zehn Spezialfahrzeuge des Lazarettregiments 31 aus Berlin-Kladow mit der Verlegung von 200 bettlägerigen Patienten in die Leichtathletikhalle am Luftschiffhafen. Etwa 30 nicht-transportfähige hochversehrte Patienten der Intensivmedizin verbleiben Bütow zufolge in der Klinik auf einer der Fundstelle der Bombe abgewandten Seite. Bei diesen Patienten ginge vom Transport eine größere Gefahr aus, als von der geringen Explosionswahrscheinlichkeit der Bombe. „Auf freiwilliger Basis“, so Bütow, verbleiben Klinikmitarbeiter zur Versorgung dieser Patienten in der Klinik. Insgesamt werden 300 Ärzte und 750 Pflegekräfte bis Sonntagfrüh im Schichtdienst im Einsatz sein. Im Luftschiffhafen werden die Patienten eine „diät-geeignete“ Kaltverpflegung einnehmen „und dann geht es wieder zurück“, erklärte Bütow – nachdem Bombenexperte Marion Kunzendorf „Vollzug gemeldet hat“. Der Fachmann hat nach eigener Aussage bereits 100 Bomben entschärft. „Pie mal Daumen“ werde er eine Stunde benötigen, um die Klinik-Bombe unschädlich zu machen. Dabei wird ihm ein Gehilfe zur Seite stehen. Kunzendorf zufolge sei die Fliegerbombe, die mit einem Aufschlagzünder versehen ist, in der jetzigen Lage völlig ungefährlich. Die Entschärfung werde nicht ganz einfach sein, da die Bombe angerostet ist und zu entfernende „Anhaftungen“ besitzt – durch den Aufschlag festgebrannte Erde. Kunzendorf: „Der äußerliche Zustand der Bombe lässt zu wünschen übrig“. Oberbürgermeister Jann Jakobs erklärte, er hoffe nicht, dass die Bombe vor Ort gesprengt werden muss. Kunzendorf versicherte, er habe „in Potsdam schon einige Bomben dieses Kalibers entschärft“. Laut Jakobs wurde der Sonnabend als Entschärfungstag gewählt, da er ein freier Tag ist und in vielen Betrieben und Geschäften innerhalb des 800-Meter-Sperrkreises nicht gearbeitet wird. Auch das Verkehrsaufkommen sei nicht so groß. In der Evakuierungszeit fahren die Straßenbahnen ohne Halt durch die Sperrzone, nicht jedoch in der Zeit der Entschärfung. Erfahrungen zufolge nehmen laut Jakobs etwa zehn Prozent der Bevölkerung das Angebot eines Ausweichquartiers an – in diesem Fall das Oberstufenzentrum I in der Jägerallee 23a. Alle anderen Bewohner könnten die Zeit „im Grünen“ oder „in der Nachbargemeinde Berlin“ verbringen. Alle Betroffenen hätten selbstständig und unaufgefordert den Gefahrenbereich zwischen 8Uhr und 12 Uhr zu verlassen. Bettlägerige und gehunfähige Potsdamer können bei der Feuerwehr unter der Telefonnummer (0331) 3701216 einen notwendigen Transport anmelden. Das Telefon ist Feuerwehrchef Wolfgang Hülsebeck zufolge ab heute besetzt. Laut Jakobs erhalten betroffene Potsdamer Haushalte schriftliche Informationen. 120 Mitarbeiter des Ordnungsamtes kontrollieren, ob die Wohnungen, Betriebe und Geschäfte verlassen wurden. „Wir rechnen mit großem Verständnis der Bevölkerung“, erklärte Jakobs. Im gegenteiligen Fall kann die Polizei Platzverweise aussprechen und was laut Polizeioberrat Jörg Barthel „äußerst selten“ vorkommt, auch „unmittelbaren Zwang“ anwenden. Die Evakuierung vom kommenden Sonnabend ist nicht die erste in Potsdam: 1999 mussten innerhalb von vier Stunden 7000 Menschen den Hauptbahnhof und die Umgebung verlassen. Der Grund für die Eile: Gefahr, denn der Zünder an der „Bahnhofsbombe“ war beschädigt.

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