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Aus dem GERICHTSSAAL: Lokführer mit drei Promille

Volltrunkener fuhr Regionalexpress / 1800 Euro Strafe

Aus dem GERICHTSSAALVolltrunkener fuhr Regionalexpress / 1800 Euro Strafe Potsdam-Mittelmark - Offenbar nahmen am 27. November 2003 im Regionalexpress zwischen Dessau und Schwedt gleich mehrere Schutzengel Platz. Mit rund drei Promille Alkohol im Blut rauschte Lokführer Hartmut P. (59) zwischen Medewitz und Michendorf viel zu weit über die Bahnsteige hinaus, ehe er den mit zahlreichen Fahrgästen besetzten Zug stoppte, verpasste einen Haltepunkt völlig, öffnete oder schloss die Türen zu spät. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, hätte er ein Stoppsignal überfahren, wäre in der Folge mit einem Intercity zusammengeprallt. Der Zugbegleiter machte der Horrortour in Michendorf ein Ende. Er informierte die Bahnpolizei, die dem Betrunkenen aus dem Führerstand holte. Die mit dem Schrecken davongekommenen Fahrgäste mussten einen eineinhalbstündigen Halt in Kauf nehmen, ehe Ersatz für Hartmut P. herbeigeschafft werden konnte. Gestern musste sich der Mann wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr vor dem Amtsgericht verantworten. Der Lokführer – er ist seit dem Vorfall als Bürohilfskraft bei der Deutschen Bahn beschäftigt – redete nicht lange um den heißen Brei herum. „Ich bin alkoholkrank“, bekannte er freimütig. Er sei als so genannter Quartalssäufer oder Intervalltrinker einzustufen. „Wenn ich einmal begonnen habe, Alkohol zu trinken, kann ich nicht mehr aufhören.“ So sei es auch an dem bewussten Nachmittag gewesen. Wohl wissend, dass er mit dem Regionalexpress um 17.11 Uhr in Belzig starten müsse, habe er zwischen 15 und 16 Uhr zwei Flaschen Sekt konsumiert. „Mehr nicht?“, wunderten sich Staatsanwalt und Richterin. „Damit kommen Sie nie und nimmer auf die gemessene Äthanolkonzentration. War nicht vielleicht eine Halbliterflasche Hochprozentiger dabei?“, argwöhnte die Vorsitzende. Der Angeklagte beharrte auf seinen Angaben. Der Staatsanwalt konterte, darauf komme es nicht an. Ausschlaggebend seien die festgestellten drei Promille. Derart alkoholisiert habe er Menschen befördert. Dies stelle eine grobe Pflichtwidrigkeit dar. „Ich dachte, es wird schon gutgehen“, gestand der solide wirkende Angeklagte. „Und ich war ja auch alkoholgewöhnt. Ein anderer wäre mit dieser Promillezahl wahrscheinlich gar nicht mehr in die Lok gekommen.“ Allerdings sei jener Vorfall eine Zäsur in seinem Leben gewesen. „Ich trinke seitdem keinen Tropfen mehr und habe mich gleich am nächsten Tag zum Arzt begeben. Dort sei ihm attestiert worden, dass er alkoholkrank sei. Inzwischen habe er eine 16-wöchige Entwöhnungstherapie absolviert. „Ich weiß, dass ich unbedingt trocken bleiben muss. Sonst besteht die Gefahr, dass ich wieder ins unkontrollierte Trinken abgleite“, so Hartmut P., der gerne wieder auf seine Lok möchte. „Und wie stehen die Chancen?“, fragte die Richterin. Der Angeklagte berichtete, er dürfe mindestens 12 Monate nicht im Fahrdienst tätig sein. Danach würde über seine weitere berufliche Zukunft entschieden. Das Gericht folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilte den Bahnmitarbeiter zu einer Geldstrafe von 1800 Euro.Gabriele Hohenstein

Gabriele Hohenstein

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