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Sun-Fuel: Synthetische Biokraftstoffe bekommen als Benzinersatz eine Zukunft / In Brandenburg Großanlage bei Premnitz geplant

Sun-Fuel: Synthetische Biokraftstoffe bekommen als Benzinersatz eine Zukunft / In Brandenburg Großanlage bei Premnitz geplant Von Jan Kixmüller In Brandenburg macht man sich Gedanken darüber, womit die Autos der Zukunft fahren werden. Irgendwann in nicht allzu fernen Tagen könnten die Rohölreserven aufgebraucht sein. Ohnehin sind sie keine optimale Lösung, da durch den Abbau der fossilen Ressourcen das Klimagas Kohlendioxid freigesetzt wird, das Jahrmillionen in der Erde schlummerte. Der Effekt ist der Klimawandel, den Experten heute schon feststellen können. Wieso also nicht nach alternativen Kraftstoffen suchen. Die große Hoffnung, dass die Autos irgendwann mit Wasserstoff fahren, scheitert heute allerdings noch an zu vielen Hürden. Etwa daran, dass Wasserstoff erst mit Energieaufwand erzeugt werden muss. Ein erster Ansatz für ein Abkoppelung vom Erdöl war hingegen die Einführung des Biodiesel. 230 000 Tonnen davon werden jährlich allein in Brandenburg aus Raps hergestellt, womit man europaweit an der Spitze liegt. Das Kohlendioxid das hier bei der Verbrennung entsteht, ist dem natürlichen Kreislauf entnommen, es wird also nicht – wie beim Erdöl – zusätzliches Treibhausgas der Atmosphäre zugeführt. Allerdings eignet sich nicht jede Ölpflanze zur Herstellung des Treibstoffs der mittlerweile 2,4 Prozent des gesamten deutschen Dieselverbrauchs ausmacht. Nur fünf bis sechs Prozent des Mineralölverbrauchs lassen sich schätzungsweise durch Biodiesel ersetzen. Eine ganz neue Perspektive eröffnet nun die nächste Generation der Biokraftstoffe, synthetische Kraftstoffe aus Biomasse: das so genannten „Sun-Fuel“. Sie sind von sehr homogener Qualität und luftverschmutzende Stoffe konnten weitgehend entfernt werden. Die Brandenburgische Energie-Technologie-Initiative (ETI) – eine Initiative der Landesregierung und der IHK – hat sich der Thematik nun angenommen. Zur Grünen Woche begrüßte Stephen Dahle von der ETI Anfang am Montag eine Expertenrunde, um die Zukunftschancen des „Sun-Fuels“ zu diskutieren. Großer Vorteil der synthetischen Biokraftstoffe ist, dass man sie nicht nur aus den Früchten von Ölpflanzen sondern aus gesamten Pflanzen gewinnen kann. Nahezu jede beliebige Biomasse lässt sich nach Ansicht der Experten dafür verwenden: beispielsweise Holzhackschnitzel, Rest- und Durchforstungsholz, pflanzliche Biomasse von Getreide bis hin zu Luzerne. Eine Perspektive, die gerade für Brandenburg als landwirtschaftlich geprägte Region von großer Bedeutung werden könnte. Besonders interessant für die Autoindustrie dürfte an dem neuen Kraftstoff sein, dass er als „Designer-Kraftstoff“ auf die Bedürfnisse der verschiedenen Motoren zugeschnitten werden kann. Die Volkswagen AG hat nun mit den Ländern Brandenburg und Niedersachsen eine Vereinbarung über wissenschaftliche-technische Zusammenarbeit bei der Herstellung von synthetischen Kraftstoffen getroffen. Dr. Wolfgang Steiner von VW konnte den Trend bestätigen: auf Wasserstoff werde nur als langfristige Lösung gesetzt, kurzfristig dürfte dem synthetischen Biokraftstoff eine größere Bedeutung zukommen. Dass die Biokraftstoffe nicht unumstritten sind, merkte Dr. Jürgen Ohloff vom Bundeslandwirtschaftsministerium allerdings an. Gerade beim Biodiesel sei die Ökobilanz kritisch. Konsens bestehe aber darin, dass die Energie- und Klimagasbilanz bei den Biokraftstoffen positiv ist; negativ sehe es hingegen bei der Versauerung und Überdüngung von Luft, Wasser und Boden durch den Kraftstoff aus. Die neuen synthetischen Kraftstoffe sind darauf bislang jedoch noch nicht untersucht worden. Insgesamt liege in den neuen Kraftstoffen ein erhebliches Potenzial, da sie auch auf Basis biologischer Abfälle herstellbar seien. Zwei Millionen Hektar Anbaufläche würden 2,6 Millionen Tonnen des Kraftstoffs ergeben, errechnet Ohloff. Bis 2005 will die Bundesregierung den Anteil an Biokraftstoff auf zwei Prozent und bis 2010 auf 5,75 Prozent steigern. Die synthetische Variante werde an den Tankstellen keine Probleme bereiten, da sie dem herkömmlichen Kraftstoff beigemischt werden kann. Die Regierung fördert das Biobenzin: ab 1. Januar dieses Jahres ist es von der Mineralölsteuer befreit, bei Energiepflanzen gibt es für Landwirte eine Flächenprämie von 45 Euro pro Hektar. Für Brandenburg sieht auch Ohloff gute Chancen, in Premnitz sei mittlerweile eine große Anlage zur Gewinnung von Biokraftstoff geplant. Den Optimismus musste Bernd Konitzki vom Landwirtschaftsministerium Brandenburg allerdings etwas bremsen. Zur Anlage in Premnitz konnte er noch nichts Konkretes sagen. Grundlegend sieht er zudem ein Problem: eine Anlage brauche zum Betrieb rund eine Million Tonnen Biomasse im Jahr, was einer Fläche von 100 000 Hektar um die Raffinerie entspreche. „Das ist kaum realistisch“, so Konitzki. Beim Verhältnis von Ertrag und Flächen komme man noch in einen Grenzbereich. Täglich 70 Anlieferungen mit 40-Tonnen-LKWs hält er für „logistisch äußerst anspruchsvoll“. Des weiteren seien in Brandenburg heute schon sechs Biokraftwerke mit mehr als 20 Megawatt am Netz, die fast alle verfügbaren Holzpotenziale verbrauchen. „Hier ist schon fast alles verfrühstückt.“ Rund 30 Prozent der Anbaufläche in der Mark sei heute schon durch Biomasse gebunden. Die Ausweitung der Nutzung von Biomasse ist aber weiterhin Ziel des Landes. Brandenburg hält Konitzki trotz seiner Bedenken für den richtigen Bioenergie-Standort: „Die großen landwirtschaftlichen Flächen sind ideal“.

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