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Landeshauptstadt: „Ich habe unter Beweis gestellt, dass ich das kann“

Oberbürgermeister Jann Jakobs will den Uferweg-Streit am Verhandlungstisch lösen, die Straßenreinigungsgebühren besser erklären und sich im Stadtparlament weiter „nach der Decke strecken“

Oberbürgermeister Jann Jakobs will den Uferweg-Streit am Verhandlungstisch lösen, die Straßenreinigungsgebühren besser erklären und sich im Stadtparlament weiter „nach der Decke strecken“ Karstadt eröffnet in wenigen Wochen, der Theater-Neubau wächst. Doch auf Ihrem Schreibtisch stapeln sich die Problemfälle: der Streit um den Uferweg am Griebnitzsee, die umstrittene neue Straßenreinigungsgebühr, die Blamage um das Kulturhauptstadt-Literaturstipendium. Sie haben bestimmte Probleme aneinander gereiht, die eine Herausforderung darstellen. Aber ich halte sie nicht für unlösbar. Man muss ein Stück zurücktreten, muss sich vor Augen halten, was wir auf der Erfolgsseite zu verbuchen haben - das ist eine ganze Menge. Potsdam ist keine Stadt, die vor Problemen nicht mehr aus oder ein wüsste. Es ist eine Stadt, die ein erhebliches Potenzial hat. Das haben wir uns in den letzten Jahren erarbeitet. Doch gilt nicht für alle drei Problemfälle, dass es soweit nicht hätte kommen müssen? Um den Uferweg streitet sich die Stadt vor Gericht, gegen die Straßenreinigung gibt es extreme Proteste, mit dem gescheiterten Stipendium hat sich die Verwaltung ein Armutszeugnis ausgestellt. Da kann ich nur sagen, dass ich auch gerne die Probleme gar nicht so weit kommen lassen würde. Aber die Stadt ist nicht die einzige Beteiligte, da gibt es Leute, die es darauf anlegen, sich vor Gericht zu streiten. Und wenn das wie im Fall Uferweg so ist, darf die Stadt diesen Weg nicht scheuen, dann muss sie ihn gehen. Andere Stimmen, darunter die CDU-Fraktion, werfen Ihnen vor, die Zügel im Rathaus nicht fest genug in den Händen zu halten. Ich kann diesen Vorwurf nicht nachvollziehen. Denn es macht für mich einen Unterschied, ob man sich die Situation um das Literaturstipendium anschaut oder die um den Griebnitzsee. Bei letzterer weiß ich, dass die CDU eine dezidiert andere Position hat als ich. Aber es wurden auch Vorwürfe laut, Sie hätten nicht reagiert, als das Stadtplanungsamt bereits im Frühjahr Vorschläge zur Gestaltung der Uferregion vorlegte. Natürlich hätte man wesentlich eher einen Bebauungsplan beschließen sollen. Ich kann für mich in Anspruch nehmen, dass ich versucht habe, moderierend zu wirken, eine Lösung zu finden. Sie ist aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich gewesen. Ich sehe das nicht als ein Versagen oder ein Versäumnis meiner Person. Was ich jedoch mit großer Besorgnis sehe ist, dass mit diesem Streit eine Zuspitzung des sozialen Klimas erfolgt. Hier muss Versöhnungsarbeit zwischen den unterschiedlichen Betroffenen geleistet werden. In diesem Konflikt muss ich die Interessen der Stadt vertreten. Das erfordert die Situation. Aber ich habe die nötige Distanz, die soziale Problematik zu erkennen. Ich glaube, dass der Konflikt nicht allein juristisch gelöst werden kann. Deshalb wird es von mir bald einen neuen Vorschlag geben. Was sieht er vor? Es muss darum gehen, einen Weg zu finden, miteinander ins Gespräch zu kommen und die juristische Auseinandersetzung in Klammern zu setzen. Wenn man sich in Verhandlungen einigt, hat der juristische Streit sich erledigt. Das ist Weg, den ich gehen möchte. Wie wollen Sie den Protesten gegen die Straßenreinigungsgebühren begegnen - wird es Änderungen geben? Die notwendige Neuregelung der Straßenreinigungsgebühren ist eine sehr unpopuläre Maßnahme. Aber es gehört zu einer ordentlichen und soliden Politik, dass es eine indirekte Subventionierung der Straßenreinigungsgebühren aus der Stadtkasse nicht mehr geben kann – so sehen es auch die gesetzlichen Regelungen vor. Da muss man sich durchringen und sagen, jetzt ist Schluss damit, jetzt müssen die tatsächlichen Kosten den Bürgern in Rechnung gestellt werden. Nichts anderes haben wir gemacht. Glaubwürdig erscheint die Verwaltung in den Augen vieler Potsdamer damit nicht: Vermutet werden dubiose Verträge mit der Stadtentsorgung (Step) oder dem Hauptgesellschafter RWE. Jetzt geht es darum, klar und deutlich zu machen, wodurch die Kosten entstehen und was mit der Step für vertragliche Vereinbarungen bestehen. Ich habe kein Problem damit, das offen zu legen. Das werden wir in den nächsten Hauptausschusssitzungen tun. Kann die Stadt aus dem Step-Vertrag aussteigen? Diese Frage kommt ganz zum Schluss. Die Frage ist erst einmal: Ist das, was die Step der Stadt in Rechnung stellt, nachvollziehbar? Sie schließen Änderungen nicht aus? Ich bin mir im Klaren darüber, dass die Diskussion noch längst nicht vorbei ist. Wir werden sehen, welche Vorschläge es gibt. Aber eines will ich mit Sicherheit ausschließen: dass wir weiterhin mit städtischen Geldern über das erforderliche Maß hinaus die Straßenreinigung subventionieren. Müssen die Potsdamer Sportler bald eine Gebühr für die Nutzung der Sportstätten zahlen? Im Haushaltsplan steht, dass wir eine Finanzierungslücke von 260 000 Euro haben und dieses Geld muss eingenommen werden. Die Sportstättennutzungsgebühr war der Vorschlag des Fachbereiches Schule und Sport – doch der Sportausschuss hat ihn jetzt abgelehnt. Ich finde die Debatte, die in Ihrer Zeitung angestoßen wurde, sehr gut: Man muss noch einmal darüber nachdenken, ob es nicht einen Zwischenweg gibt. Auf der einen Seite für bestimmte Zielgruppen eine Nutzungsgebühr erheben, auf der anderen Seite die Kosten minimieren, indem man den Sportvereinen mehr Verantwortung überlässt. Das werden wir abzuwägen haben. Kürzungen in der Kinder- und Jugendarbeit sind ein heikles Thema. Nun kritisierten die freien Träger, der neue Jugendförderplan sei eine Mogelpackung. Das kann Ihnen als ehemaligem Jugendamtsleiter nicht gefallen. Ich finde es müßig darüber zu streiten, ob 1,1 Prozent oder 0,96 Prozent des gesamten Haushaltes für die Jugendarbeit ausgegeben werden. Man muss Prioritäten setzen. Schulsozialarbeit ist dabei ein ganz wichtiges Thema. Doch vor dem Hintergrund der Kürzungen, die auf der Landesebene drohen, werden wir noch ganz andere Diskussionen führen müssen. Das 610-Stellen-Programm wird wegfallen, wir werden eine riesige Debatte darüber bekommen, wie wir diese wegfallenden Stellen in den Jugendklubs kompensieren wollen. Ich sehe keine Möglichkeit, hier mehr städtisches Geld auszugeben. Kurz nach ihrem Amtsantritt vor zwei Jahren sagten Sie, Potsdam brauche auch in der Nach-Platzeck-Ära einen „Schub“. Den Theater-Bau und die Karstadt-Ansiedlung haben Sie fortgeführt, aber was kommt da hinterher? Mit der Kulturhauptstadtbewerbung ist in Gang gesetzt worden, dass sich die Menschen in der Stadt mit der Kultur auf sehr unterschiedliche Art und Weise auseinander setzen. Für mich will ich zudem reklamieren, dass Potsdams Ausrichtung als Wissenschaftsstadt 2003 begonnen und entsprechend umgesetzt worden ist - mit der nachhaltigen Wirkung, dass Potsdam sich für 2006 um den Titel „Stadt der Wissenschaft“ bewirbt. Wissenschaft und Forschung sind unser Zukunftspotenzial. Ich reklamiere auch die Diskussion um die Weiterentwicklung der Potsdamer Mitte für mich. Dies sind wichtige, zukunftsweisende Themen, aus denen klare und für alle erkennbare Perspektiven für die Stadt werden. Zudem haben wir bei der Konsolidierung des Haushaltes in den letzten Jahren Riesenschritte nach vorne gemacht haben, unter weitaus schwierigeren Bedingungen als sie meine Vorgänger hatten. Im Vergleich zu anderen Städten haben wir nahezu solide Finanzen. Klar, es reicht nicht aus, wenn wir mit einem jährlichen Defizit von 15 Millionen Euro abschließen. Aber wir sind auf dem Weg, die Stadt zukunftsfähig zu machen, auch mit der Neuordnung der städtischen Betriebe. Doch das sind keine populären Themen, aber sie müssen bearbeitet werden. Liegt Ihnen diese Hintergrundarbeit mehr als das vordergründige Gestalten? Ich bin einer, der aus der Verwaltung kommt und Verwaltung kann. Aber wenn man Oberbürgermeister ist, reicht das nicht aus. Man muss ein Gespür für die Themen der Zeit haben, muss wissen, was die Bevölkerung interessiert, was die Stadt nach vorne bringt. Ich habe unter Beweis gestellt, dass ich das kann. Stehen Sie weiter dazu, mit wechselnden Mehrheiten regieren zu wollen? Für den Haushalt 2004 hatten Sie eine Koalition der bürgerlichen Mitte, jenseits der PDS, gefunden. Wenn Sie mich fragen, was ich gerne hätte, wäre es eine stabile Oberbürgermeistermehrheit. Die gibt es nicht, deshalb müssen wir uns nach der Decke strecken, uns in einzelnen Sachfragen Mehrheiten organisieren. Das ist bisher gut gelungen. Das ist kein einfaches Arbeiten, aber es ist nicht so, dass damit ein Oberbürgermeister politisch handlungsunfähig wird. Dennoch hat Ihnen die Mehrheit der Stadtverordneten im vergangenen Jahr eine Missbilligung im Zusammenhang mit den Vorgängen um den ehemaligen Entwicklungsträger-Chef Volker Härtig ausgesprochen. Das hat mich geärgert, aber ich glaube nicht, dass mich das in meiner politischen Handlungsfähigkeit beeinträchtigt hätte. Können Sie mit dem Begriff „bürgerliches Lager“ etwas anfangen? Steeven Bretz von der CDU hatte Ihnen vorgeworfen, Sie hätten eben dieses „bürgerliche Lager“ in Potsdam gespalten. Ich habe nicht verstanden, ob Herr Bretz das bürgerliche Lager am Griebnitzsee gemeint hat oder das politische. Der Streit um den Uferweg ist nicht spurlos an Ihrem Verhältnis zur CDU vorbeigegangen, das Verhältnis zur PDS scheint angespannt. Wo finden Sie künftig Ihre Mehrheiten? Die Differenzen zur PDS liegen in der Stadtentwicklung. Hier gibt es einen ganz klaren Dissens, der die Potsdamer Mitte betrifft. Daran kann man andere politische Grundsatzfragen festmachen - auch den Haushalt. Sie haben Recht, was die CDU angeht. Sie hat sich im Griebnitzsee-Streit sehr einseitig auf die Seite der Initiative Historische Uferregion gestellt. Und wenn Sie sagen, dass das den Umgang miteinander beeinträchtigt, würde ich Ihnen da zustimmen. Aber ich glaube nicht, dass man in anderen politischen Fragen nicht mehr zusammenarbeitet. Die Möglichkeit sehe ich nach wie vor, für beide Seiten. Das Stadtschloss soll Potsdam weiter nach vorne bringen. Wie wird der Wiederaufbau möglich? Es gibt einen großen Konsens darüber, hier eine öffentliche Nutzung vorzusehen. Deshalb der Vorschlag, den Landtag einziehen zu lassen. Ich bin der Auffassung, dass es in der Kubatur des alten Schlosses wieder entstehen sollte. Aber wir wissen, dass man für den Landtag mehr Platz braucht. Das ist die Grundlage. Jetzt muss der Landtag bis spätestens Juni die Grundsatzentscheidung treffen, runter in die Stadt, rein ins richtige Leben zu kommen. Das hat auch symbolische Funktion. Es gibt viele planerische Vorläufe, wir haben unseren Beitrag geleistet. Aber es ist wichtig, dass der Landtag sich am Beginn dieser Legislaturperiode entscheidet. Sonst wird es wieder keine Entscheidung geben. Die Entscheidung für den Wiederaufbau der Garnisonkirche ist gefallen. Am 14. April soll der Grundstein gelegt werden – doch die Grundstücksfrage ist nicht geklärt. Kann der Termin gehalten werden? Wir werden auf jeden Fall einen symbolischen Grundstein legen. Wichtig ist, dass etwas Sichtbares entsteht, dass man nicht nur ein bisschen Erde aufkratzt. Es muss ein Beginn sein. Ist in den beiden Streitpunkten – der Grundstücksfrage und im Streit mit der Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel – eine Lösung in Sicht? Es gibt nichts, was mich zu dem Eindruck verleiten könnte, dass wir mit dem „Ruf aus Potsdam“ vor gut einem Jahr etwas verabredet haben, das falsch gewesen sein könnte. Was die Grundstücksklärung angeht, laufen Verhandlungen. Wir arbeiten daran intensiv. Das zweite große Datum in 2005 ist der 60. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges. Waren Sie sehr enttäuscht, als Land und Bund signalisierten, dass es keine große politische Veranstaltung mit den heutigen Regierungschefs der an der Potsdamer Konferenz beteiligten Länder geben wird? Wir hatten große Hoffnungen. Aber so etwas steht unter dem Vorbehalt der aktuellen weltpolitischen Lage. Wir werden uns jetzt wissenschaftlich-historisch diesem Thema stellen. Dabei wird es darauf ankommen, aktuelle politische Bezüge herzustellen. Wir planen nach wie vor, heute aktive politische Repräsentanten nach Potsdam einzuladen. An diesem Programm arbeiten wir. Es lässt sich feststellen, dass Sie vieles als Chefsache behandeln müssen. Doch wollen Sie alles allein machen – oder warum haben Sie keinen Stellvertreter? Ich habe einen. Als Sie im Weihnachtsurlaub waren, konnte nach offiziellen Angaben niemand aus der Verwaltung die Potsdamer aufrufen, für die Opfer der Flutkatastrophe zu spenden. Das muss man richtig stellen. Ich habe trotz meines Urlaubs mit dem Stadthaus und der Staatskanzlei in Kontakt gestanden. Der Bundeskanzler, der Bundespräsident, Brandenburgs Ministerpräsident – sie alle hatten zu Spenden aufgerufen. Die Potsdamer haben von der ersten Stunde an Solidarität gezeigt und gespendet. Wir haben die Spendenkonten ins Internet gestellt und intern in der Verwaltung zum Spenden aufgefordert. Zudem haben wir schon in diesen Tagen darüber nachgedacht, uns im Rahmen einer Partnerschaft für eine bestimmte Region einzusetzen. Dennoch, wer ist Ihr Stellvertreter? Die Hauptsatzung sieht folgendes vor: Wenn der Oberbürgermeister nicht da ist, dann ist der Bürgermeister zuständig und wenn der abwesend ist, der Finanzbeigeordnete. Einen Ersten Beigeordneten, gleichbedeutend mit einem Bürgermeister, wollen Sie nicht? Wir bereiten eine Ausschreibung vor und werden der Stadtverordnetenversammlung einen Vorschlag machen. Die Kommunalaufsicht hat Sie aber bereits ermahnt, weil Sie keinen Stellvertreter haben? Wir haben uns geeinigt, dass ich in angemessener Zeit einen Vorschlag mache. Wann ist diese Zeit gekommen? Ich glaube, die Kommunalaufsicht sieht die Zeit für reif an – es wird im ersten Halbjahr passieren. Das Interview führten Sabine Schicketanz und Günter Schenke.

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