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Landeshauptstadt: Hilfe per Hörer

Telefonseelsorge bekam im Dezember viele Anrufe

Telefonseelsorge bekam im Dezember viele Anrufe Innenstadt - Als zwischen Weihnachten und Neujahr die meisten Menschen im Kreis ihrer Familien und Freunde feierten, mussten Beate Müller und ihr Team selbst viel menschliche Wärme geben: Die zierliche Frau ist die Leiterin der Telefonseelsorge Potsdam. „Ich denke schon, dass in dieser Zeit mehr Leute als sonst angerufen haben“, sagt Müller. 24 Stunden pro Tag ist die Telefonseelsorge Potsdam besetzt. Sie ist mit drei anderen Stellen in Berlin und Cottbus vernetzt. Wer unter der Nummer 0800 111 01 11 anruft, wird mit einem der vier Anschlüsse verbunden. Träger der Potsdamer Seelsorge ist die Evangelische Landeskirche, das Diakonische Werk Potsdam, das Erzbistum Berlin und der Caritasverband Brandenburg. Bis auf die Leiterin Beate Müller arbeiten alle 90 Mitarbeiter ehrenamtlich. „Das Telefon klingelte eigentlich permanent“, erzählt Müller von der Zeit zwischen dem 24. Dezember und Silvester. Nachdenklich zählt sie die Themen auf, die bei den Gesprächen eine Rolle spielten: Einsamkeit ist dabei das zentrale Problem für die meisten Anrufer. „Es rufen auch Menschen an, die sich selbst in ihren Partnerschaften allein fühlen“, sagt Müller. Solche Gefühle des Verlassenseins verstärken sich nach Müllers Erfahrung in der Weihnachtszeit. Dazu kam dieses Mal die Flutkatastrophe in Südostasien. Müller beschreibt, worüber sich die Anrufer unterhalten wollten. „Es ging um ihre Hilflosigkeit im Umgang mit der Situation, aber auch um die Wut über den Umgang der Medien mit den schrecklichen Bildern“, so Müller. Dazu hätten noch Betroffene angerufen, die Vermisste oder Freunde von Vermissten kannten und deswegen um Rat fragen. Für den Umgang mit solchen Situationen müssen die Telefonseelsorger ein dreiviertel Jahr geschult werden. Die kostenlose Ausbildung findet jeweils am Wochenende oder an Abenden statt. Danach verpflichten sich die künftigen Telefonseelsorger für drei Jahre. Pro Monat bedeutet dies rund drei Dienste, die jeweils zwölf Stunden dauern. „Wer hier arbeitet, wird viel für sein eigenes Leben lernen; manche Probleme relativieren sich“, sagt Beate Müller, die seit Sommer die Telefonseelsorge betreut. Vorher hatte sie ihren Job in der Potsdamer Beratungsstelle für Frauen und Mädchen. „Es ist schon anders, nun mit so vielen Ehrenamtlern zu arbeiten“, sagt Müller. Sie selbst greift selten zum Hörer. Dafür kümmert sie sich um ihre Angestellten. „Sie brauchen manchmal Hilfe, etwa wenn ein Gespräch besonders schwierig war“, sagt Müller. Sie berichtet erneut von ihren Erfahrungen und erzählt von verschiedenen Anrufertypen, zum Beispiel von alkoholisierten Menschen, die ihr Leid klagen. Die genauen Geschichten will Müller jedoch nicht erzählen. Die Anonymität der Anrufer ist ihr wichtig. Auch die Adresse des Büros, in dem das Telefon der Seelsorge steht, möchte sie nicht nennen. „Dann würden hier viele vor der Tür stehen.“ Für manche ist die 0800er-Nummer oft der einzige Kontakt zur Außenwelt, sie rufen jeden Tag an, auch zwischen Weihnachten und Neujahr. „Dann hören wir aber öfter mal ein Dankeschön“, sagt Beate Müller. Sie lächelt dabei. Henri Kramer

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