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Landeshauptstadt: Herzschlag der Gemeinde

Vom Konsistorium auf die Kanzel: Susanne Weichenhan ist die neue Pfarrerin von St. Nikolai

Vom Konsistorium auf die Kanzel: Susanne Weichenhan ist die neue Pfarrerin von St. Nikolai Am kommenden Sonntag wird Pfarrerin Susanne Weichenhan in die Pfarrstelle der Potsdamer St. Nikolaigemeinde eingeführt. Mit ihrem Dienstantritt am 1. Januar endete die dreimonatige Vakanz, in der das Gemeindeleben durch den sehr verantwortungsbewussten Gemeindekirchenrat, viele engagierter Gemeindeglieder, den Vakanzverwalter Pfarrer Frank Schürer-Behrmann und nicht zuletzt durch den Einsatz des Büroleiters Dietrich Jonuscheit erfolgreich getragen wurde. Susanne Weichenhan, 1955 in Treuenbrietzen geboren, studierte zunächst Forstwirtschaft und begann mit 26 Jahren das Theologiestudium. Sie ist verheiratet mit dem Wissenschaftshistoriker und Theologen Dr. Michael Weichenhan. Seit 1998 war sie als Oberkonsistorialrätin in der Leitenden Behörde der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg für Spezialseelsorge sowie Personalwesen zuständig. Was hat Sie dazu bewogen, ihren ruhigen Schreibtisch im Konsistorium Berlin-Brandenburg mit dem eher unruhigen Amtszimmer in der Nikolaikirche zu tauschen? Ganz im Vertrauen: Einen ruhigen Schreibtisch hatte ich im Konsistorium ganz und gar nicht! Dort war täglich eine Fülle an Strukurentscheidungen, Personalfragen und Finanzproblemen zu bearbeiten, so dass das Bild eines ruhig hinter Aktenbergen versteckten Konsistorialbeamten längst nicht mehr der Wirklichkeit entspricht. Seit ich aus dem Gemeindepfarramt ins Konsistorium kam, habe ich in fünf Jahren die Behördenarbeit gründlich kennengelernt, auch die Vor- und Hintergründe kirchenleitenden Handelns. Mir ist dabei immer mehr deutlich geworden, dass ich nicht allzuviele Jahre meines Lebens in der Verwaltung bleiben will. Ich habe damals meinen geliebten ersten Beruf als Försterin nicht aufgegeben, um später hauptsächlich dafür zu sorgen, dass andere als Pfarrer arbeiten können; irgendwann habe ich mich gefragt: Ist deine Aufgabe nicht vielmehr, wieder wirklich Pfarrerin zu sein. Und als eines Tages die Ausschreibung für die Nikolaikirche erschien, hat mich diese Ausschreibung stark angesprochen. War es schwer, den Gemeindekirchenrat zu überzeugen, dass auch eine Frau für eine solche zentrale Pfarrstelle geeignet ist? Ob es in dieser Hinsicht Vorbehalte gab, kann ich nicht genau sagen; ich selbst bin jemand, der bei Stellenbesetzungen nicht primär nach dem Geschlecht fragt, sondern nach Kompetenz. Zumindest aber war eine gewisse Reserviertheit gegenüber jemandem aus dem Konsistorium vorhanden und auch verständlich. Es ergab sich dann, dass ich in meiner Heimatstadt Niemegk in der Kirche, in der ich getauft und konfirmiert worden bin, einen lange verabredeten Gottesdienst hielt. Dahin kamen kurzfristig einige Leute aus dem Nikolai-Gemeindekirchenrat, und ich hatte gar nicht Zeit, etwas Besonderes vorzubereiten. Und dann haben die Potsdamer offensichtlich gemerkt, dass da jemand ist, dem der Gottesdienst am Herzen liegt. Es gab dann noch ein ausführliches Gespräch mit dem Gemeindekirchenrat, später dann den Präsentationsgottesdienst am 7. September und ein Bibelgespräch, bei denen jeweils viele Gemeindeglieder die Möglichkeit nutzen, sich ein Bild zu machen. Ich bin sehr dankbar, dass das Besetzungsverfahren nun zu diesem Ergebnis geführt hat. Die Nikolaigemeinde ist in der Gestaltung der Gottesdienste sehr geprägt durch die 30-jährige Amtszeit von Pfarrer Wolfgang Hering Ich habe den Gottesdienst bei Pfarrer Hering miterleben können und dort etwas gespürt, was für mich das Kriterium für einen guten Gottesdienst ist: dass man als Gemeindeglied im Gottesdienst Stärkung findet. Der Gottesdienst ist insgesamt ein Gebiet, das zu meiner Leidenschaft gehört; da ich Interesse auch für liturgische und ökumenische Fragen mitbringe, kann ich in vielen Punkten an die gewachsene Liturgie in Nikolai bewusst und gut anknüpfen. Sicher werden im Laufe der Zeit auch neue Akzente einzubringen sein. Der Gottesdienst ist in Nikolai nach meinem Erleben – wie übrigens die ganze Kirchengemeinde – ein lebendiger Organismus, der einen guten inneren Herzschlag braucht, und das will ich, wenn denn die Kraft geschenkt wird, auch mit meinen Kräften weitertragen. An der St. Nikolaikirche wird neben der Gemeindearbeit auch Citykirchenarbeit betrieben. Die Kirche ist als Veranstaltungsort sehr begehrt. Wie werden Sie damit umgehen? Die Nikolaikirche ist als eine exponierte Innenstadtkirche ganztägig geöffnet; dies wird von der Kirchengemeinde dank des großen Einsatzes von Ehrenamtlichen bereits über Jahre gewährleistet, und das nicht nur für Touristen. Hier wünsche ich auch den Potsdamern, dass sie diese stete Möglichkeit zu Einkehr und Stille mitten im täglichen Galopp mehr als bisher für sich entdecken. Und neben dem, was an klassischen Herausforderungen in der Gemeindearbeit wartet, bin ich gespannt darauf, Stück für Stück die bisherige Rolle der Nikolaikirche auszuloten, mich innerhalb des Kirchenkreises und der städtischen Zusammenhänge zu orientieren. Schon jetzt kann ich sagen, dass ich mir beispielsweise interdisziplinäre Gespräche zwischen Juristen und Theologen über ethische Fragen wünsche, außerdem gibt es Ideen für weitere kirchenmusikalische Akzente. Natürlich ist die Nutzung eines Kirchenraumes für verschiedene kulturelle Zwecke oft eine Gratwanderung, und der Gemeindekirchenrat hat eine hohe Verantwortung, die rechte Balance zu finden. Hier hat die Arbeit an einem konkreten Nutzungskonzept begonnen. Was werden Sie zuerst in Angriff nehmen? Wo sehen Sie Prioritäten für Ihre pfarramtliche Tätigkeit? Zunächst: Die Menschen kennenlernen! In der Nikolaigemeinde mit rund 2200 Gemeindegliedern gibt es nur noch zwei Hauptamtliche, d.h. die Pfarrerin und den Büroleiter, daneben aber einen sehr engagierten Gemeindekirchenrat und insgesamt etwa 75 Ehrenamtliche in den verschiedenen Diensten, dazu die aktiven Ruheständler und die ABM-Kräfte, nicht zu vergessen die drei Vereine für die Bereiche Kirchenmusik, Kirchenbau und Gemeindeleben. Ein Weinberg mit so vielen Reben will gehegt und gepflegt und weiter ausgebaut sein. Außerdem sind die ersten seelsorgerlichen Kontakte geknüpft. Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit wollen wir das Gemeindeblatt neu gestalten. Daneben sind Weichenstellungen für die Arbeit mit Kindern geplant. Und gebaut werden muss viel: die Gemeinde, die Kirche, das Pfarrhaus Aber eins nach dem andern. Und wichtig wird sein, nicht in Betriebsamkeit zu verfallen, sondern selbst immer wieder inne zu halten und im Gebet und im Gottesdienst Kraft zu schöpfen. In diesem Zusammenhang – eins meiner Lieblingworte aus der Bibel lautet: „Die Freude am Herrn ist eure Stärke!“ Das Gespräch führte Lutz Borgmann

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