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Landeshauptstadt: Früchte der Erkenntnis

Eine Aktion der Ausländerseelsorge machte gestern auf das Schicksal von Flüchtlingen aufmerksam

Eine Aktion der Ausländerseelsorge machte gestern auf das Schicksal von Flüchtlingen aufmerksam Innenstadt - Die Kirschen aus Nachbars Garten schmecken vielleicht am süßesten – die Äpfel jedoch sind sauer, ziemlich sauer sogar. Zumindest die aus dem Garten von Oberbürgermeister Jann Jakobs. Aber um den kulinarischen Genuss beim Verzehr der kleinen roten Früchte ging es bei der Aktion, die gestern Vormittag im Stadthaus und in der Fußgängerzone der Brandenburger Straße stattfand, nur am Rande. „Damit Flüchtlingskinder und -jugendliche nicht in den sauren Apfel beißen müssen“ lautete der Titel der Kampagne anlässlich des gestrigen internationalen Tags des Flüchtlings. Mit einer Spende von 50 Äpfeln unterstützte Jann Jakobs die Aktion. Seine Früchte der Erkenntnis verteilte Monique Tinney, Mitarbeiterin der Ausländerseelsorge im Kirchenkreis Potsdam. Gemeinsam mit Pranvera Sejdiu zog sie drei Stunden lang durch die Fußgängerzone und das Stadthaus und drückte verdutzten Passanten und Mitarbeitern die Äpfel in bedruckten Papiertüten in die Hand. Dazu gab es ein Faltblatt , das über die Perspektivlosigkeit, die Ausgrenzung und Isolierung von Flüchtlingen aufklärt. „Wir wollen mit der Aktion pointiert auf das Schicksal von Flüchtlingen aufmerksam machen“, sagt Monique Tinney, während sie einen Apfel in ein gefaltetes Tütchen legt. Seit Anfang des Jahres ist sie Leiterin der Ausländerseelsorge, seither kümmert sie sich um Flüchtlingsfamilien verschiedener Herkunft. Sie besucht sie zuhause, hört sich ihre Probleme an, hilft ihnen, wenn im Alltag mal wieder etwas nicht so läuft, wie es laufen sollte. Aber das Wichtigste: Sie gibt ihnen das Gefühl, für sie da zu sein. 40 Familien sind es derzeit, die Monique Tinney betreut, darunter auch die von Pranvera Sejdiu. Das Mädchen kam vor zwölf Jahren aus dem Kosovo nach Deutschland. Ihr Vater, ein ehemaliger Polizist, konnte in seinem Beruf nicht mehr weiterarbeiten, denn er hatte Repressalien zu befürchten. Deshalb verließ die siebenköpfige Familie die Heimat. Wenn Pranvera Sejdiu von ihrer Geschichte erzählt, dann verliert sie sich nicht gerne in Details. Für einen kurzen Augenblick verschwindet dann das Lächeln aus ihrem Gesicht, dabei lächelt die 19-Jährige oft. Zurzeit besucht sie die 12. Klasse der Lenné Schule. Noch ein Jahr bis zum Abitur – das hat sich das ruhige Mädchen zum Ziel gesetzt, denn im Kosovo ist Bildung Luxus. Aber was nach dem Abi kommt, das weiß die Jugendliche bislang nicht. Ausbildung oder Studium sind ihr gesetzlich untersagt. Bislang wird Sejdiu und ihre Familie von den Ämtern nur „geduldet“. „Ich hoffe, es klappt irgendwann mit der Aufenthaltsgenehmigung“, sagt sie. Ihre Stimme klingt dabei aber ziemlich nüchtern. Vielleicht glaubt sie selbst nicht mehr so recht daran. Am 1. Januar dieses Jahres trat ein neues Zuwanderungsgesetz in Kraft. Es soll die Integration von Migranten durch Sprachkurse und Staatsbürgerkundeunterricht verbessern. Das Leben der 200000 Flüchtlinge in Deutschland wird jedoch durch zahlreiche Gesetze trotzdem noch stark reglementiert. Und immer ist da auch die Angst vor einer drohenden Abschiebung . Potsdam sei für sie ihre Heimat, sagt Pranvera Sejdiu. In den Kosovo zurückzukehren, können sie und die anderen Familienmitglieder sich nicht vorstellen. Dass es nicht soweit kommt, dafür setzt sich Monique Tinney ein – nicht zu letzt mit ihrer Aktion. „Es geht uns darum, ein Gespräch mit den Ämtern und Behörden in Gang zu bringen“. Mit dem gestrigen Verteilen der Äpfel ist ihr vielleicht schon ein erster Schritt in diese Richtung gelungen: „Die Resonanz war bislang positiv.“ hey

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