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Landeshauptstadt: Freut Euch des Lebens

Hans-Joachim Petz ist Tenor ohne festes Engagement. Als singender Stadtführer sucht er seine Chance

Viele Leute reagieren spontan. Sie zücken den Hut, senken den Kopf, öffnen ihm die Tür, sie zeigen Gesten der Untergebenheit und lächeln dabei. Manche wissen nicht nur, dass Hans-Joachim Petz einen preußischen König darstellt, sondern sogar, dass es Friedrich Wilhelm IV. ist. Ein Bekannter erkennt sogar eine gewissen Ähnlichkeit zwischen dem ausgebildeten Tenorsänger und dem „Romantiker auf dem Thron“, der ein sensibles-künstlerisches Wesen gehabt haben soll und auch viel getan habe für die Architektur Potsdams.

Romantisierende Versunkenheit in die preußische Geschichte ist nicht das Motiv des Babelsbergers, Hans-Joachim Petz gibt sich beruflich königlich, weil die Sangeskunst für ihn eine brotlose geworden ist. Der 54-Jährige ist ein Opfer der Kürzungen der Kulturetats im Land Brandenburg. Bis vor wenigen Jahren sang er noch mit Festgehalt auf der Bühne der Stadt Brandenburg. Doch gegen Ende des vergangenen Jahrzehnts kam das Aus für das Musiktheater und Petz muss seitdem auf andere Weise Zuhörer für seine imposante Stimme finden. Der Tipp mit der Ähnlichkeit zu dem Preußenkönig – der, was er anerkennt, kulturell interessiert war – brachte ihn auf die Idee.

Stadtführer gibt es in Potsdam viele, aber bislang nur zwei in historischen Kostümen, einer geht als Friedrich der Große, eine anderer verkörpert dessen Leibkutscher Pfund. Einen Stadtführer in Kostüm, der auch noch professionell singen kann, gibt es aber nur einen, ihn, seit August vergangenen Jahres. „Der singende Stadtführer“, das ist seine Geschäftsidee und sein Alleinstellungsmerkmal, Hans- Joachim Petz ist sich sicher, dass er eine Chance hat auf dem Markt.

Sein Kostüm samt fünf kleiner Orden und einem großen sind authentisch, aber unverkennbar Eigenbau. Eine Kopie aus einer Manufaktur würde 50 Euro das Stück kosten, was viel Geld ist für einen, der noch am Anfang seiner neuen Karriere steht. Mehr Geld als er investieren kann im Moment würde auch ein Königsmantel kosten, darum friert Hans-Joachim Petz an diesem Morgen etwas. Die „Moschee“ an der Breiten Straße ist Treffpunkt, weil es eben jener Friedrich Wilhelm IV. war, der das exotische Dampfmaschinenhaus von Baumeister Ludwig Persius 1841 errichten ließ.

Auf dem großen Orden prangt ein schwarzer Adler und die Aufschrift „Suum cuique“, „Jedem das Seine“. Es ist der Schwarze Adlerorden, Kurfürst Friedrich III. stiftete ihn am Tag vor seiner Krönung zum ersten preußischen König 1701. Petz hat sich belesen, kennt sich in Potsdams Architektur und Geschichte aus. Der ehemalige Kulturwissenschaftler weis, dass Friedrich Wilhelm IV. Widersacher des Freiheitskämpfers Max Dortu war, dass er im Zuge der Revolution von 1848 die Kaiserkrone aus den Händen der Frankfurter Nationalversammlung ablehnte mit den Worten, er nehme keine „Krone aus der Gosse“. Aber er war auch ein Schöngeist, der mit Bettina von Arnim im Briefwechsel stand. Und er war ein Beförderer der Architektur in Potsdam, was einem Potsdamer Stadtführer zugute kommt. Dennoch besteht Petz darauf, der singende Stadtführer in der Uniform Friedrich Wilhelm IV. zu sein, nicht aber den Monarchen selbst darzustellen – trotz der Ähnlichkeit.

Petz ist noch gut bei Stimme, den sie ist unverbraucht. Der Grund: Erst spät, mit über 30 Jahren, begann er bei der Potsdamer Konzertsängerin Henny Teitge mit dem Gesangsunterricht. Auf der Brandenburger Bühne sang er 1989 vor – und bekam die Stelle als erster Chortenor. Heute sind es die kleinen Volkslieder, aber auch Lieder von Schubert und Schuhmann, die er an der passenden Stelle erklingen lässt. An der alten Stadtmauer singt er „Auf der Mauer auf der Lauer“, an der historischen Mühle von Sanssouci die Schubert-Fassung von „Das Wandern ist des Müllers Lust“. An der Kiezstraße, wo einst der alte „Steinhof“ stand, singt Petz stimmungsvolle Lieder: „Freut euch des Lebens, Weil noch das Lämpchen glüht; Pflücket die Rose, Eh'' sie verblüht!“

Petz ist rege, er wirbt für sein Angebot, hat stets neue Einfälle. Das Mozartjahr 2006 ist für ihn eine Gelegenheit, musikalisch daran zu erinnern, dass das „Wolferl“ 1789 in Potsdam weilte. Da war Friedrich Wilhelm IV. zwar noch nicht geboren – aber Romantiker waren sie wohl beide, der Preußenkönig und der große Komponist.

Hans-Joachim Petz, Tel:/Fax.: (0331) 71 38 59 oder e-mail: hjpinfo@web.de.

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