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Landeshauptstadt: Erntehelfer manipulierte Belege

Arbeitsamt roch den Braten und stoppte die Zahlung

Arbeitsamt roch den Braten und stoppte die Zahlung AUS DEM GERICHTSSAAL Von Gabriele Hohenstein Enrico K. (42) arbeitet seit der Wende als Saisonkraft auf den Spargelfeldern. Da kennt sich der Sozialhilfe-Empfänger inzwischen aus wie in seiner Westentasche. Er weiß auch, dass das Arbeitsamt die Bezüge für diese Tätigkeit oft nur schleppend zahlt. Das wurmte den Familienvater, der auf das verdiente Geld dringend angewiesen ist. Im Juni 2001 machte der Potsdamer darum – wie er glaubte – endlich Nägel mit Köpfen. Nun sitzt er wegen Urkundenfälschung und versuchten Betruges auf der Anklagebank. Laut Staatsanwaltschaft erhöhte der Arbeitslose seine tatsächlich im Spargelhof Schlunkendorf geleisteten 23 auf 28 Tage. Die Lohnbescheinigung seiner Gattin – sie war damals auf den Feldern in Beelitz tätig – manipulierte der Angeklagte von vier auf 14 Tage. Hätte der Coup funktioniert, wären dem Paar 325 Mark zu Unrecht ausgezahlt worden. Doch das Arbeitsamt roch den Braten und erstattete Anzeige. „Ich habe nichts Falsches getan“, kommentiert der schmächtige Mann die Anklage. Es stimme schon, dass er sich eigenmächtig fünf Tage dazugeschrieben habe. „Das war die Zeit, die ich auf dem Arbeitsamt vertrödelt habe, um für mich und meine Kollegen das Geld einzutreiben, das uns zustand.“ Dank seiner jahrelangen Tätigkeit als Erntehelfer habe er zu den jeweiligen Arbeitsvermittlern der Behörde einen guten Draht, berichtet Enrico K. Deshalb habe er sich bereiterklärt, sich um das Salär für die gesamte Truppe zu kümmern. „Und es hat ja auch funktioniert.“ Die zehn Tage, die der Angeklagte seiner inzwischen von ihm geschiedenen Ehefrau dazu mogelte, seien so etwas wie Schadenersatz gewesen, meint er. „Sie bekam pro Tag nur zehn Mark vom Arbeitsamt zur Sozialhilfe dazu, obwohl sie richtig große Steine von den Feldern räumen musste. Die anderen haben alle 45 Mark erhalten.“ Zudem hätten es manche Leute mit der Anzahl der Tagesstunden auch nicht so genau genommen. „Man muss täglich sechs Stunden arbeiten, um in den Genuss der Vergütung zu kommen. Die meisten sind aber schon nach fünf Stunden abgehauen. Trotzdem hat das Arbeitsamt denen den vollen Betrag gezahlt“, entrüstet sich Enrico K. Darum habe er das Recht in die eigenen Hände genommen. „Ich weiß überhaupt nicht, warum ich auf der Anklagebank sitze. Ich fühlte mich unschuldig“, betont der bereits wegen Diebstahls und fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr Vorbestrafte. Die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft kann nicht glauben, was sie da hört. Auch der Amtsrichter kriegt runde Augen. „Sie mögen sich im Recht fühlen, aber Sie sind es nicht“, korrigiert er die Auffassung des Spargelstechers. Wo käme man hin, wenn plötzlich jeder Selbstjustiz übt? „Sie haben die Bescheinigungen gefälscht, um mehr Lohn zu bekommen, als Ihnen zustand. Das ist strafbar. Der Betrug ist allerdings im Versuch stecken geblieben.“ Das Urteil: 40 Tagessätze zu je zehn Euro.

Gabriele Hohenstein

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