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Homepage: Eine Stadt ist wie ein Mensch

Die Potsdamerin Susanne Fienhold Sheen arbeitet als selbstständige Stadtführerin

Die Potsdamerin Susanne Fienhold Sheen arbeitet als selbstständige Stadtführerin Von Marion Schulz Spaziergänger, die Susanne Fienhold Sheen am frühen Morgen still auf einer Parkbank sitzen sehen, werden ihr die Konzentration kaum anmerken. Doch die Potsdamerin arbeitet. Nach Inspiration suchend schaut sie sich aufmerksam um. Die 38-jährige Stadtführerin ist auf der Suche nach neuen Geschichten. Geschichten über die Stadt, wo jedes unauffällige Detail zählt, mit denen sie Touristen Potsdam näher bringen möchte. „Eine Stadt ist wie ein Mensch, immer im Fluss“, sagt Susanne Fienhold Sheen. Diese Lebendigkeit versuche sie den Besuchern zu zeigen. „Es ist eine enorme Herausforderung bei jedem Kunden den persönlichen Code zu knacken um ihn für die Stadt zu interessieren“. Gerade bei einem sehr jungen Publikum müsse man sich etwas Besonderes einfallen lassen. So erklärte Fienhold Sheen jüngst einer Schulklasse den Schlosspark wie ein überdimensionales Computerspiel. „In diesen Spielen gibt es auch oft Türen hinter denen Geheimnisse stecken. Also habe ich ihnen gesagt: Zeigt mir so eine Tür! Ich führe euch durch und erzähle euch was dahinter steckt.“ Die Jugendlichen seien sofort Feuer und Flamme gewesen. Soviel Individualität erfordert nicht nur Improvisationstalent, sondern auch präzise Vorbereitung. Aufwändig erarbeitet die Stadtführerin die Routen, wälzt „tonnenweise“ Literatur und noch wichtiger, redet mit Menschen um noch mehr über ihre Stadt zu erfahren. „Ich habe schon immer gern Freunden, Verwandten oder ehemaligen Firmenkunden die Stadt gezeigt“, erzählt Susanne Fienhold Sheen, die bis 1997 an der Universität Potsdam Germanistik und Soziologie studierte. Vom Abschluss trennte sie damals nur die Magisterarbeit, als plötzlich der Traumjob als Produktionsleiterin einer Fernsehsendung winkte. Doch auch diese Herausforderung war irgendwann keine mehr. 2002 erkannte die entscheidungsfreudige Frau, die seit mehr als zehn Jahren mit einem Amerikaner verheiratet ist, dass die Medienbranche den Reiz für sie verloren hatte. Sie wollte auch keinen Chef mehr haben. Daraufhin orientierte sie sich neu: „Manche Straßen führen eben erst über Umwege zum Ziel. Im Leben ist immer eine Menge Zufall im Spiel.“ Durch Zufall fiel ihr dann der Zeitungsartikel in die Hände, der von einem neuen Gästeführerlehrgang an der Volkshochschule berichtete. Die gebürtige Thüringerin nutzte die Chance, absolvierte den Lehrgang und gründete die erste Ich-AG der Stadt Potsdam. „Ich hatte Glück. Die Mitarbeiter im Arbeitsamt haben mich damals ganz wunderbar über die Fördermöglichkeiten beraten.“ Seitdem begleitet sie vor allem kleinere Gruppen durch Potsdam. Sie überrascht nicht nur Ortsfremde mit noch unbekannten Anekdoten. „Stadtführungen sind Unterhaltung und keine akademische Belehrung“, meint die aufgeweckte Frau. Von knochentrockenen Vorträgen halte sie ohnehin nichts. „Ich habe einen enormen Horror vor dieser Langeweile-Maschinerie“, sagt sie. Ihr geht es vor allem darum Neugier zu wecken: „Indem man den Orten ein Gesicht, eine Persönlichkeit verleiht.“ Denn nicht zuletzt ist es auch ihre eigene, unerschöpfliche Neugier, die sie an dem Job festhalten lässt. Es ist die Neugier auf die Geschichten, die hinter den Häuserfassaden stecken, auf die zahlreichen kleinen Details, die im Vorbeigehen häufig übersehen werden. Aber auch die Neugier auf die Touristen selbst. „Jeder Mensch ist einzigartig und ich versuche einen Zugang für jeden Einzelnen zu erarbeiten.“ Leicht hat sie es als Stadtführerin dabei jedoch nicht immer. Bei dem stark von der Saison abhängigen Geschäft könne sie sich zwar vor allem im Frühjahr und Herbst – der Hochsaison – kaum vor Aufträgen retten, aber im Winter und den heißen Sommermonaten sei oft auch gar nichts los. Ihren Humor verliert die selbstbewusste Frau dennoch nicht: „Mit dem Job kann man wohl eher berühmt als reich werden“, sagt sie und grinst. Den Schritt in die Selbstständigkeit habe sie trotzdem nie bereut. Jeder Mensch in einer fremden Stadt, frage sich instinktiv ob er dort leben könne: „Man spielt das durch. Wir probieren Orte an wie neue Hüte.“ Wenn sich ihre Kunden auch nur etwas heimisch in der Stadt fühlen, habe sich die Arbeit für sie schon gelohnt.

Marion Schulz

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