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Von Henri Kramer: Educon-Affäre spitzt sich zu

Finanzielle Forderungen an den unter Betrugsverdacht stehenden Bildungsdienstleister nicht zustellbar

Potsdam/ Berlin - Die seit Monaten gärende Betrugsaffäre um den privaten Bildungsdienstleister Educon spitzt sich zu: Juristisch bestätigte Forderungen von Schülern und Ex-Dozenten, die von der Unternehmensgruppe noch Zeugnisse, nicht ausgezahlte Löhne oder Schadensersatz verlangen, können nicht mehr zugestellt werden. Auch das Bildungsministerium hat keinen direkten Kontakt mehr. So droht jetzt, dass die Geschädigten am Ende leer ausgehen. Und längst gibt es Vermutungen, dass die Verantwortlichen abgetaucht sind.

Zwei Schülerinnen, die sich von Educon getäuscht und betrogen fühlen, sind Nicole Schröter aus Berlin und Bonnie Raabe aus Kuhbier. Beide fingen im Herbst 2007 eine Ausbildung in der Potsdamer Educon-Schule für Hotel- und Gastgewerbe an – für rund 350 Euro im Monat, insgesamt zahlten beide jeweils mehr als 10 000 Euro. Ab diesem Frühjahr sank ihrer Erinnerung nach die anfängliche Qualität der Lehre immens. „Es gab immer mehr Stundenausfall und kaum noch Dozenten“, so Nicole Schröter. Seit September nun ist ihre Schule endgültig dicht, obwohl die Ausbildung eigentlich bis April 2011 dauern sollte. Bei der Industrie- und Handelskammer haben die beiden Azubinen für sich noch eine Abschlussprüfung organisieren können. Doch fehlen ihnen noch Zeugnisse von Educon. Bei dem Unternehmen aber erreichen sie niemand mehr. „Wir haben keine Ahnung, wie wir noch an die Dokumente kommen sollen.“

Der Fall des deutschlandweit aktiven Bildungsdienstleisters Educon geht seit dem Frühjahr durch die Schlagzeilen. Erst hatte es eine Razzia der Staatsanwaltschaft gegeben, bald danach hatte das brandenburgische Bildungsministerium drei staatlich geförderte Privatschulen der Educon-Gruppe in Potsdam und Cottbus geschlossen. Es ging unter anderem um den Betrugsverdacht, dass Educon im Schuljahr 2009/10 in mehr als 500 Fällen Schülerzahlen gefälscht habe, um Zuschüsse von 4500 Euro pro Schüler zu erschleichen. Die Educon-Gruppe bestritt über Anwälte alle Vorwürfe und drohte dem Ministerium mehrfach mit Schadensersatzklagen. Anfang September hieß es, ein englischer Investmentfond habe Educon erworben. Zugleich hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im September Eilanträge von Educon gegen die Schulschließungen abgelehnt.

Parallel mehrten sich die Auflösungserscheinungen, hat Marie Nagel bemerkt. Seit März war sie an einer Educon-Privatschule in Berlin für eine Ausbildung zur Assistentin für Mode und Design eingeschrieben. Kosten: Rund 200 Euro im Monat. „Als die Schulen in Potsdam und Cottbus geschlossen wurden, erhielten auch viele Dozenten bei uns kein Geld mehr, es gab immer mehr Ausfall.“ Nach den Sommerferien habe ihre Schule aufgehört zu existieren. „Auf eine Bescheinigung für mein halbes Jahr warten ich und 15 Mitschüler noch immer“, sagt die 19-jährige Nagel. Ihre Anwältin Rebecca Aoufi betreut inzwischen mehr als 20 Ex-Schüler von Educon. „Die Nachfolgefirma von Educon schreibt zwar noch E-Mails an Mandanten, ob sie sich weiter in Stuttgart ausbilden lassen wollen, aber Educon reagiert nicht auf Kündigungsschreiben oder Mahnbescheide“, so Aoufi.

Früheren Dozenten von Educon, die noch auf Geld warten, geht es ähnlich. Der Dozent Klaus Gießen, der in Düsseldorf bzw. Bochum für Educon unterrichtete, hat inzwischen in seinem Fall ein Urteil am Berliner Landgericht gegen Educon erwirkt. Gießen sagt: „Es kann aber kein Gerichtsvollzieher geschickt werden, da niemand eine Adresse kennt, wo Educon anzutreffen ist.“ 4000 Euro ausstehenden Lohn will auch der Berliner Dozent Frank Schreiber. Bei seinen Forderungen ergeht es ihm wie den anderen Gläubigern: „Man hat das Gefühl, dass die Herrschaften untergetaucht sind.“ Ein Sprecher des Bildungsministeriums sagte, ein Kontakt bestehe nur noch über Anwälte, Post an die Educon-Firmen aber komme zurück.

Den PNN liegt auch ein Zivilurteil über rund 18 500 Euro vor, die das Brandenburgische Oberlandesgericht am 17. Juni Christoph Weber aus Finsterwalde gegen Educon zugesprochen hat. Webers Klasse in Cottbus – er wollte Informatik lernen – wurde 2005 aufgelöst. Danach klagte er auf Schadensersatz und gewann. Anfang November meldete sich nun eine Gerichtsvollzieherin, die Vollstreckung der Summe sei nicht möglich: „Es wurde mitgeteilt, dass die schuldnerische Firma ins europäische Ausland verkauft wurde.“ Nun hat Weber noch eine Adresse in London erhalten, 196 High Road. Weber sagt: „Da sind uns die Hände gebunden.“

Auf der Educon-Internetseite „www. wunschberufe.info“, auf der noch immer für Ausbildungen geworben wird, ist seit September im Impressum als Inhaber eine „Atlantic Education Partners GmbH“ aus Kassel eingetragen. Eine eigentlich obligatorische Eintragung der Firma ins Handelsregister existiert nicht, der angegebene Telefonanschluss ist nicht erreichbar. Alle anderen Webseiten von Educon sind gelöscht, ihre Standorte in Potsdam augenscheinlich verwaist, Anfragen der Presse werden nicht beantwortet.

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