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Landeshauptstadt: Die vergessene Königin

Sophie Charlotte war zu Gast am Preußischen Stammtisch / Hannover stand der Hohenzollern-Gemahlin näher als Preußen

Sophie Charlotte war zu Gast am Preußischen Stammtisch / Hannover stand der Hohenzollern-Gemahlin näher als Preußen Königin Luise, Kronprinzessin Cecilie – sich mit den Gemahlinnen der Hohenzollern zu beschäftigen, ist zurzeit „in“. Der Verein „300 Jahre Preußen“ folgte diesem Trend und lud die erst preußische Königin, Sophie Charlotte, an seinen monatlich stattfindenden Stammtisch ein. Sie hatte 1684 als 16-Jährige den brandenburgischen Kurprinzen Friedrich geehelicht. Vorgestellt wurde der Gast durch die junge Historikerin Susanne Marock, die erneut ihr Showtalent nachwies und locker über die schöne, später etwas füllige Tochter aus dem Hause Hannover plauderte. Wie einige ihrer Nachfolgerinnen konnte sich Sophie Charlotte mit Preußen und Potsdam nicht anfreunden. Schloss Caputh, Geschenk ihres Gatten, gab sie nach nur vier Jahren zurück, weil es zu weit weg lag vom geselligen Berlin. Näher dran war das Dorf Lietze, in dem sie sich eine zunächst bescheidene, dann immer weiter ausgebaute Sommerresidenz errichten ließ, die heute als Charlottenburg zu den bedeutendsten Schlossbauten der Hohenzollern gezählt wird. Sophie Charlotte habe sich politisch für ihre hannoversche Verwandtschaft eingesetzt, für Preußen aber kaum, meinte Susanne Marock. Selbst die Erhebung ihres Gatten in den Königsstand habe sie wenig bewegt. Das muss man nicht so sehen, denn die Königin gebar mit dem späteren Friedrich Wilhelm I. einen Thronfolger, der Preußen auf den Weg zur Großmacht führte. Außerdem zog sie den Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz an ihren Hof und trug so wesentlich zur Gründung der Berliner Akademie der Wissenschaften bei. Der kleine, aber feine Musenhof der Fürstin hat vielleicht doch mehr zur Verbindung der Hohenzollern mit den Künsten beigetragen, als Susanne Marock einräumen wollte. Fakt bleibt allerdings, dass die „heute weitgehend vergessene Königin“ jede Möglichkeit nutzte, sich in Hannover aufzuhalten. Als der Thronfolger zur Welt kam, ließ sie ihn für die ersten drei Lebensjahre dorthin bringen. Jährlich machte sie sich mitten im Januar auf den Weg in ihre Heimat, um dort am Karneval teilzunehmen. Davon konnte sie 1705 auch eine als Halsentzündung beginnende Erkrankung nicht abhalten, die schließlich zu ihrem Tod führte. Sophie Charlotte wurde nur 37 Jahre alt. Der zeremoniensüchtige Witwer inszenierte ihre Beerdigung zu einem großen Schauspiel. Beim Leichenzug von Hannover durch die Mark Brandenburg nach Berlin mussten ihr die Bewohner aller Durchfahrtsorte in Trauerkleidung die letzte Ehre zu erweisen. Die Kirchen, in denen der Leichnam nachts aufgebahrt wurde, waren schwarz ausgeschlagen, die Ortsprominenz hatte Totenwache zu halten. Erst im Juni kam der Zug in Berlin an. Zu diesem Zeitpunkt hatte der König der Verstorbenen bereits ein unvergängliches Denkmal gesetzt: Am 1. April 1705 ließ er Schloss Lietzenburg in Charlottenburg umbenennen. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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