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Von Klaus Büstrin: Der Trauer einen Raum geben

Klinikum und Krankenhausseelsorgerin bestatten still geborene Kinder in würdigem Rahmen

Ein Paket kam gerade an. Absender: Initiative Schmetterlingskinder e.V. Sein Inhalt ist Babykleidung, von Frauen selbst hergestellt, zumeist Tücher in verschiedenen Farben. Dr. Bernd Köhler, Oberarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe im Klinikum, Sabine Linow, die leitende Hebamme, sowie die evangelische Seelsorgerin Pfarrerin Beate Violet freuen sich über diese Sendung. In die Tücher sollen die still geborenen Kinder geborgen werden, Babys, die bereits vor der Geburt gestorben sind. In Würde mit diesem Tod umgehen, den Müttern und Vätern seelischen Beistand geben, das ist konzeptionell das Anliegen des Klinikums seit 13 Jahren. „Wir wollen der Trauer um das totgeborene Kind einen Raum geben“, sagt Bernd Köhler.

Eigentlich ist es ein Thema, das in unserer Gesellschaft nicht gern angesprochen wird. Auch heute noch sterben Kinder während der Schwangerschaft, kurz vor oder nach der Entbindung. Wenn Geburt und Sterben zusammenfallen, ist dies ein besonders schmerzliches und manchmal schwer zu verarbeitendes Erlebnis. „Denn wenn sich im Mutterleib das Leben kräftig ankündigt, dann hat sich bereits eine Beziehung aufgebaut“, sagt der Oberarzt. Aber leider kommen 25 bis 30 still geborene Kinder in jedem Jahr im Klinikum auf die Welt.

Hebammen möchten mit den Eltern die Freude über den ersten Schrei teilen und den Beginn eines neuen, warmen Lebens spüren. „Daher erscheint uns der Tod im Kreißsaal als besonders grausam“, so Sabine Linow. „Er trifft uns, erschüttert uns in unseren eigenen Gefühlen so, dass wir ihm manchmal am liebsten ausweichen möchten. Aber das geht nicht, denn wir möchten den Müttern und Vätern in diesen Minuten und Stunden Beistand geben, denn sie werden oftmals von der Diagnose Fehlgeburt in einen Schockzustand versetzt. Und oftmals sind sie auch unfähig, Entscheidungen irgendwelcher Art zu treffen.“

Die meisten Mütter und Väter bedürfen für einige Zeit der seelsorgerlichen Betreuung. In Pfarrerin Violet haben sie eine wunderbare und engagierte Partnerin, bestätigen gleichzeitig der Oberarzt und die Hebamme. Sie begleitet die Eltern in ihrer Trauer über die glücklose Geburt mit Gesprächen bis zum Tag der Beisetzung und darüber hinaus, auch in einer Trauergruppe. „Außenstehende meinen oftmals, die Eltern mögen doch nun endlich das Baby vergessen, es habe ja noch gar nicht richtig gelebt, man könne doch wieder ein Kind bekommen. Ein Trost mit dem beide aber kaum etwas anfangen können“, sagt Beate Violet.

Jedes Elternpaar erhält vom Klinikum eine Mappe mit Geburtsanzeige und dem Namen, den die Eltern dem Baby gegeben haben, ein Foto sowie, wenn möglich, Fußabdrucke. Auch dies ist für die meisten eine tröstende Erinnerung. Es sei aber wichtig, dass man mit den Eltern nach einer gewissen Zeit die medizinischen Befunde auswertet, um über Ursachen zu sprechen, so der Oberarzt. Auch die „Initiative Regenbogen e.V.“ will den Betroffenen mit Rat zur Seite stehen, in dem sie sie mit Informationsmaterial und Kontaktadressen versorgt werden.

In Potsdam werden die still geborenen Kinder unter 1000 Gramm auf dem Neuen Friedhof beigesetzt. In früheren Jahren ging man recht fragwürdig mit den still geborenen Kindern um. Manchmal wurden sie einfach mit dem „Klinikmüll“ entsorgt. „Die Sensibilisierung und der würdige Umgang mit ihnen hat sich längst verändert. Vom Verscharren kann keine Rede mehr sein“, sagt Oberarzt Dr. Köhler. Die Eltern können sich nun an einen Ort der Trauer, der Erinnerung und des Trostes begeben. „Das Klinikum hat die Begräbnisstätte, die eine schlichte Stele schmückt, initiiert und fühlt sich für sie verantwortlich. Es wäre für die Eltern sonst viel schwieriger, um ein totes Kind ohne Namen, ohne Grab, ohne greifbare Erinnerung zu trauern“, so Dr. Köhler.

Vier bis fünf Mal im Jahr finden Sammel-Bestattungen statt, die von Pfarrerin Violet gestaltet werden. Eltern, Familienangehörige und auch Freunde nehmen diese stille Feier gern an, denn Trennungs- und Abschiedsschmerz braucht Räume in uns und um uns.

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