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Landeshauptstadt: Das wohl grausamste Jahr in der Geschichte der Stadt

Was am 14. April 1945 geschah: Hans-Werner Mihan dokumentierte den Luftangriff – und hat eine neue Dokumentensammlung erstellt

„Die Nacht von Potsdam“ heißt das im Jahre 1997 erschienene Buch von Hans-Werner Mihan über den Luftangriff britischer Bomber auf Potsdam am 14. April 1945. Der Titel setzt einen Kontrapunkt zum „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933, dem Staatsakt in der Garnisonkirche, der als Ausgangspunkt für die Ereignisse, die in die „Nacht von Potsdam“ mündeten, gelten kann.

Leider konnte sich der Vowinckel-Verlag, der Mihans Buch herausbrachte, bisher nicht zu einer Neuauflage entschließen. Mihan hat inzwischen einen zweiteiligen Ergänzungsband mit Dokumenten, Fotos und Plänen herausgebracht. Der Wermutstropfen: Dieses Material ist nicht im Buchhandel zu haben.

„Mehr als fünfzig Jahre nach den Ereignissen des 14./15. April 1945 gibt es immer wieder neue Aspekte“, sagt Mihan. So ergaben verbesserte Methoden der Luftbildauswertung, dass nach dem Luftangriff die Nikolaikirche, das Alte Rathaus sowie das Windelband- und Knobelsdorffhaus am Alten Markt nur geringe Schäden aufwiesen. Die Gebäude zerstörte erst später die sowjetische Artillerie. Mihan hat in den PNN im Jahre 2002 das Luftbild eines amerikanischen Aufklärungsflugzeuges veröffentlicht, das ebenfalls in seiner Dokumentensammlung enthalten ist. Das Foto entstand am 14. April 1945 etwa um 17 Uhr und ist die letzte Aufnahme des unzerstörten Potsdams.

Die Dokumentensammlung enthält ein Faksimile eines Flugblattes vom 13. April 1945, in dem es unter der Überschrift „Er läutete den Frieden ein“ anlässlich des 75. Geburtstages des Glockenisten der Garnisonkirche Otto Becker heißt: „Er konnte unter anderem die deutsche Kriegserklärung am 1. August 1914 sowie den “Tag von Potsdam“ am 21. März 1933 mit den Glocken der Garnisonkirche einläuten.“ Und: „Er hat nicht weniger als dreimal einen Waffenstillstand eingeläutet, nämlich den von Russland 1917, den von Deutschland 1918 und den von Frankreich 1940.“ Zu einem weiteren Einläuten kam es nicht, denn die Garnisonkirche fiel dem Bombardement zum Opfer, das Geläut stürzte nach Augenzeugenberichten vom brennenden Turm glühend in die Tiefe.

Nachdem um 22.39 Uhr 1945 die ersten roten und grünen Zielmarkierungen abgeworfen waren, begann eine Minute später das Bombardement. Um 22.57 Uhr explodierte ein Munitionszug am Hauptbahnhof und schon um 23 Uhr war alles vorbei: Die Innenstadt brannte und lag anschließend in Schutt und Asche.

Über die Zahl der Opfer herrschte lange Zeit Unklarheit, weil die Angaben sowohl von den Nazis als auch von der DDR-Statistik willkürlich erhöht wurden. Nach den Angaben des damaligen Leiters der Potsdamer Friedhöfe Karl-Heinz Voß aus dem Jahre 1993 dürfte die Zahl von 1593 Toten zutreffend sein. Von 5166 Gebäuden der Innenstadt wurden 856 total zerstört und weitere 3549 mehr oder weniger beschädigt, wobei die Hälfte wohl auf das Konto des Artillerie-Beschusses durch die Russen ging. Die Dokumentation Mihans enthält die genauen Zahlen der zerstörten und beschädigten Gebäude nach einem Bericht der Potsdamer Stadtverwaltung.

Im Bericht der Friedhofsverwaltung heißt es über das Jahr 1945: „ ...das 952. seit Nachweis der Siedlung Potsdam, war wohl das grausamste in der jetzt 1000-jährigen Geschichte der Stadt.“ Und weiter: „Hatte die Stadt Potsdam im Jahre 1945 insgesamt 9600 Tote (in friedlichen Jahren unter 1500), so entfielen allein auf den April 4100 Tote, davon sind 1740 Tote als Opfer der Bombenangriffe, hauptsächlich des 14. April, und 1200 auf Kampfhandlungen urkundlich zurückzuführen.“ Und auch dies gehört zur Dramatik dieser Tage: „Keinen Ausweg mehr sahen im April 64 Menschen, im ganzen Jahr 175, sie machten ihrem Leben mit Leuchtgas, Strick, Pistole oder Gift selbst ein Ende. Es ist anzunehmen, dass es noch mehr waren.“ Günter Schenke

Hans-Werner Mihan: Die Nacht von Potsdam. Edition Kurt Vowinkel-Verlag KG 1997; Hans-Werner Mihan: Der Luftangriff auf Potsdam am 14./15. April 1945. Unveröffentlichtes Manuskript 1997

Günter Schenke

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