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Moral-Triathlet. Aktionskünstler Heinz Ratz auf Zwischenstation in Potsdam.

© A. Klaer

Von Kay Grimmer: Beinarbeit für Flüchtlinge

Heinz Ratz radelt 8000 Kilometer für  Asylbewerber, gestern machte er Station in Potsdam

Noch sieht Heinz Ratz einigermaßen frisch aus. Doch hat der Aktionskünstler gerade mal ein Achtel seines Vorhabens erreicht. Über 8000 Kilometer will der Kieler per Fahrrad zurücklegen, quer durch ganz Deutschland, um auf die Situation von Flüchtlingen in Deutschland aufmerksam zu machen und Geld für Migrations- Projekte zu sammeln. Am Sonntagabend traf Ratz nach 1000 Rad-Kilometern in Potsdam ein, nach einem Spenden-Konzert in der Fabrik traf der Liedermacher gestern auf Potsdamer Asylbewerber im Wohnheim am Nuthetal am Schlaatz.

Ratz ist seit Mai 2009 auf seinem „Moralischen Triathlon“: er lief knapp 1000 Kilometer für Obdachlose durch Deutschland, schwamm 850 Kilometer durch Flüsse und Seen, um für den Artenschutz zu werben und will nun 8000 Kilometer auf dem Rad für Flüchtlings-Interessen absolvieren. Die Initialzündung sei durch seine Freundin gekommen, die Schwerbehinderte betreut. „Während sie täglich tatkräftig half und Gutes tat, habe ich immer nur kritische Lieder gesungen. Ich wollte auch etwas tun“, begründete Ratz sein sportliches Mammutprogramm.

Nach Obdachlosigkeit und Artenschutz nun also die Belange der Flüchtlinge: „Viel zu sehr wird in der Öffentlichkeit verkannt, dass Flüchtlinge auch Reichtum mitbringen“, sagt Ratz. Zwar kämen sie aus Notlagen nach Deutschland, aber „nicht nur sie können von uns lernen, wir können auch von ihnen, ihrer Kultur, ihrer Sprache lernen“, so der Künstler.

Allerdings gebe es noch einiges zu tun. Ratz fordert etwa die Aufhebung der Residenzpflicht, die Flüchtlingen das Übertreten der Stadt- oder Kreisgrenzen seines Wohnheim-Orts verbietet. Hier konnte Potsdams Sozialbeigeordnete Elona Müller-Preinesberger (parteilos) zumindest einen lokalen Erfolg vermelden. Denn zwischen Potsdam und Berlin sei die Residenzpflicht aufgehoben – eine langjährige Forderung Potsdamer Flüchtlinge. „Außerdem haben wir das Flüchtlings-Wohnheim in ein zentrales Wohngebiet geholt“, verwies sie auf den Umzug an den Schlaatz. Im Stadtteil sei eine „Allianz“ von Vereinen und sozialen Trägern entstanden, um „Flüchtlinge zu Nachbarn“ werden zu lassen, so die Dezernentin. 63 000 Euro gibt es seit 2009 jährlich für die Bemühungen im Stadtteil. „Das Geld ist auch für 2011 eingeplant“, so Müller-Preinesberger, deren erklärter Wunsch es ist, dass jene Stadtteilbudgets für Netzwerk-Arbeit von Vereinen allen fünf Sozialräumen zur Verfügung stehen könnten – „allen voran in Drewitz“, so die Beigeordnete.

Triathlon-Musiker Heinz Ratz lobte die Potsdamer Ansätze für Flüchtlinge, „Die Lebensumstände für Asylbewerber in München sind weitaus schlimmer“, sagte er. „Lager-Zustände“ habe er wahrgenommen, so der Aktions-Künstler. „Eine Waschmaschine gab es für 60 Menschen, 30 Flüchtlinge mussten sich eine Toilette teilen, drei Männer auf 15 Quadratmetern leben.“ Gegen diese Zustände will Ratz weiter anradeln: Heute geht es nach Berlin zum Konzerthaus SO 36. Dort steigt das nächste Spendenkonzert. Aus Potsdam nimmt er nicht nur die Einnahmen des Fabrik-Auftritts – rund 1000 Euro – mit. 500 Euro spendete Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), die Hälfte davon ging an Ratz’ Projekt, 250 Euro erhielt die Diakonie für ihr Deutschkurs-Projekt für Flüchtlinge.

Das Video wurde uns freundlicherweise von PotsdamTV zur Verfügung gestellt.

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